Vom Tischlermeister zum gefragten Objektausrüster

Handwerk trifft Startup-Spirit

Die Howind Furniture GmbH aus Hülsede in der Nähe von Hannover hat den Ruf einer außergewöhnlichen Tischlerei. Das liegt unter anderem an der Startup-Atmosphäre, die überall im Unternehmen zu spüren ist. Was seine Kunden davon haben, erklärt Tischlermeister und Geschäftsführer Alexander Howind im Interview mit der HOB.
Howind setzt auf ein Centateq N-600 NC Bearbeitungszentrum von Homag. – Bild: Howind Furniture GmbH mit Rust Media Solutions

Herr Howind, Sie bezeichnen Ihr Unternehmen als Startup mit Tradition – warum?

Alexander Howind: Ich fange einfach mal mit der Tradition an. Der Tischlerberuf ist sozusagen ein spezielles Gen in der Familie. Seit 1770 gibt es in unserer Familie fast durchgängig in jeder Generation Tischler. Auch ich habe Tischler gelernt und mich 2013 als junger Tischlermeister quasi in der Garage selbständig gemacht. Um meine Idee von der Zukunft des Unternehmens umzusetzen, fehlte der Platz. 2016 haben wir dann konkret nach einem Gebäude in meiner Heimat gesucht, in dem wir individuelle Möbel und Einrichtungslösungen produzieren können. Wir haben dann die leeren Hallen einer ehemaligen Stuhlmanufaktur übernommen. Soweit zur Tradition.

Bild: Howind Furniture GmbH mit Rust Media Solutions

Und jetzt zum Startup.

Mir wurde schon während meiner Lehre klar, dass alle Arbeiten, die Maschinen ausführen können, auch Maschinen machen sollen. Aber dabei sollten wir unsere Handwerktradition nicht vergessen. Mit meinem Schritt in die Selbständigkeit stand für mich fest, dass die Digitalisierung in meinem Unternehmen neben den Mitarbeitern den entscheidenden Platz einnehmen würde. Von der Konstruktion über die Planung der Arbeiten bis hin zur Ansteuerung der Maschinen.

Wie muss ich mir das konkret vorstellen?

Uns war klar, dass die richtigen Investitionen entscheidend für die Umsetzung unserer Ziele sein würden und haben den Markt nach optimalen Lösungen sondiert. Wir setzen ganz bewusst auf Handwerkliches Knowhow gepaart mit digital vernetzter Fertigungstechnologie und einem hohen Digitalisierungsgrad. Für die Maschinenausstattung stand fest, bearbeitet und zugeschnitten wird im Nesting-Verfahren. Damit lassen sich deutlich bessere Resultate bezüglich Genauigkeit erzielen, als wenn man erst zuschneidet und dann die CNC-Bearbeitung folgt. Auch der Verschnitt ist deutlich geringer. Wir wollen schließlich nachhaltig arbeiten und das ist ein elementarer Beitrag dazu. Auf Basis dieser Entscheidung haben wir eine Lösung mit automatischem Lager und CNC-Bearbeitungszentrum gesucht. Die Wahl fiel auf die Kombination eines Storeteq S-200 Flächenlagers in Kombination mit einem Centateq N-600 CNC-Bearbeitungszentrum. Das Lager und das Bearbeitungszentrum sind mit der Software direkt vernetzt und erhalten ihre Aufträge online nach Vorgabe unserer Arbeitsvorbereitung. Nach der Bereitstellung der Platte aus dem Lager werden automatisch Etiketten auf die Werkstückeplätze, die auf der Platte liegen aufgeklebt. Damit steuern wir dann weiter die innerbetriebliche Logistik. Die Lösung war übrigens in dieser Form auch für Homag neu und wie immer bei neuen Maschinen läuft am Anfang dann nicht alles wie von alleine. Mit Homag haben wir aber genau den richtigen Partner gefunden. Zusammen im Team haben wir die Anlage optimal auf unsere Bedürfnisse angepasst und damit den Schlüssel zur produktiven Fertigung gefunden.

Einrichtungsweisende Objektlösungen. Howind Furniture fertigt maßgeschneiderte Individualität in Serie und erschafft Lebenswelten in ganz Europa. Made in Germany. Bild: Howind Furniture GmbH mit Rust Media Solutions

Und wie geht’s nach dem Zuschnitt und der Bearbeitung auf der CNC weiter?

Die Teile werden abgenommen und über das Etikett den einzelnen folgenden Aufträgen zugeordnet. Danach kommt unsere Kantenanleimmaschine, die Edgeteq S-380 von Homag ins Spiel. Die Kante war in der Tat zu erst da und dann kamen die weiteren Maschinen. Zum Schluss kommt in unserer Bauteilefertigung eine Fertigungszelle von Homag zum Einsatz. Diese besteht aus dem vertikalen CNC-Bearbeitungszentrum Drillteq V-500 und dem Feedbot Roboter D-300, der das gesamte Handling für die Zuführung und Abstapelung des Bearbeitungszentrums übernimmt. Neben dem Bohren und der abschießenden CNC-Bearbeitung werden hier auch automatisch die Dübel gesetzt. Danach sind die Bauteile fertig für die Montage.

Und wie sieht die Montage aus?

Ganz einfach. Die Bauteile haben wir ja immer mit der IT im Blick. Im Bauteilelager benutzen wir ein internes Kennzeichensystem der Montagelose, um die Teile schneller zu identifizieren. Das kürzt die Suche über die Etiketten einfach ab. Und dann geht’s klassisch weiter – mit dem handwerklichen Können unserer Mitarbeiter werden die Möbel aus den verschiedenen Bauteilen dann montiert.

Präzision im Detail von der Planung bis zur Umsetzung vor Ort. – Bild: Howind Furniture GmbH mit Rust Media Solutions

Ihre hochmoderne Fertigungstechnik haben Sie uns ja jetzt vorgestellt. Das in so kurzer Zeit auf die Beine zu stellen, entspricht wirklich dem Tempo eines Startups. Letztere haben häufig auch außergewöhnliche Geschäftsideen – wie sieht diese bei Ihnen aus?

Für mich konnten bei der Firmengründung die bis dato am Markt dominierenden Möbelkonzepte mit ihrem Standard-Raster nicht die Lösung sein, das war klar. Sie bieten zu wenig Gestaltungsraum und, noch entscheidender, sie nutzen den zur Verfügung stehenden Raum bestenfalls suboptimal. Was mich eigentlich nicht wundert: Waren und Räume sind selten genormt, sie entspringen vielmehr einer kreativen architektonischen Leistung. Wie sollten sich diese durch Möbel nach Schema F wirklich sinnvoll, funktional und ästhetisch ausfüllen lassen? Damit begann bei uns die Idee vom modularen, rasterlosen Möbelbau zu reifen. Konzepte werden entwickelt, Prototypen gebaut, Kontakte geknüpft. Von Beginn an setzte unser Team auf maximale Funktionalität sowie kompromisslose Qualität – und wir uns damit auch gegen etablierte Unternehmen durch. Schließlich kann die Vision vom individualisierten, flächenoptimierten Einrichtungskonzept in die Realität umgesetzt werden – wir wollten und wollen Möbel und Einrichtungen gestalten, mit denen sich Menschen rundum wohlfühlen.

Micro-Living: Multifunktionaler Wohn- und Arbeitskomfort – auf jedem Quadratzentimeter. ­Howind sorgt dafür, dass sich selbst Microapartments mit wenig ­Grundfläche großzügig anfühlen. – Bild: Howind Furniture GmbH mit Rust Media Solutions

Wie müssen wir uns das konkret vorstellen?

Das beginnt bereits bei der Planung, in enger Kooperation mit dem Objekteinrichter und Architekten. Alle Möbel, Küchen und Objekteinrichtungen werden modular konzipiert, sodass diese auch nach Jahren noch verändert oder ergänzt werden können. Alles startet mit der Konzeption für das Objekt. Ganz gleich, ob 5-Sterne-Hotel oder Studentenwohnheim, Kanzlei oder Microapartment, Schule oder Arztpraxis, Feuerwache oder Bürokomplex. Mithilfe moderner Visualisierungsmöglichkeiten erwecken wir die gemeinsamen Wünsche zum Leben. Und dazu gehören natürlich auch die Budget-Ziele. Im nächsten Schritt folgt die Grundrissplanung. Wir fertigen bekanntlich Möbel, die sich an dem Grundriss orientieren und nicht anders herum. Denn wir kennen kein festes Raster. Im nächsten Schritt fertigen wir typischerweise ein Musterzimmer, um die Ausstattungs- und Materialvarianten zu veranschaulichen und damit die Investitionsentscheidungen abzusichern. Parallel dazu gibt es natürlich eine Projektplanung, mit der wir Zeit und Kosten immer im Blick haben. Ein entscheidender Punkt neben der Montage ist natürlich auch die Logistik.

Logistik, ist das mehr wie Möbeltransport?

Lassen Sie mich das einfach an unserem Projekt Microliving in Wien erläutern. Dort entsteht mit der Donau City ein komplett neuer Stadtteil. Eines der, im wahrsten Sinne, Highlights: der 110m hohe DC3 Tower mit 832 Apartments und einer Gesamtfläche von 24.000m² ist das größte Studentenhaus Österreichs. Die kompletten Zimmerausstattungen – unter anderem bestehend aus Küche mit integrierter LED-Beleuchtung, Kleiderschrank, Sideboards, Bett mit integriertem Stauraum und multifunktionalem Kopfteil inklusive Lichtquelle und Steckdose – wurden von uns gefertigt und vorkonfektioniert. Anschließend wurde die Ausstattung mit einem ausgeklügelten Logistikkonzept – nach Etage und Zimmernummer gestaffelt – auf eigens für dieses Projekt maßgefertigte Paletten termingetreu angeliefert und montiert. Damit konnten je nach Baufortschritt die Möbel in der Nacht durch die Tiefgarage in die Apartments geliefert und am Tag montiert werden. Und bei 832 Zimmern muss man deutlich mehr als ein Apartment pro Tag liefern und montieren – sonst dauert das ja Jahre…

Rüdiger Eikmeier, HOB, schildert seinen ­persönlichen Eindruck: „Der Besuch bei Howind hat sich gelohnt“

Für mich, wie wohl auch für viele unserer Leser, ist und war die Firma Howind Furniture, ansässig in Hülsede in der Nähe von Hannover, wohl erst einmal kein Begriff. Das sollte sich für mich mit meinem Besuch Anfang November letzten Jahres schlagartig ändern. Homag-Mitarbeiter hatten mir von einer außergewöhnlichen Tischlerei bzw. Möbelhersteller vorgeschwärmt, und das wollte ich mir persönlich ansehen. Vor meinem Besuch hatte ich mich natürlich vorab unter www.howind-furniture.de mit ersten Informationen versorgt. Deshalb passte bei meiner Ankunft für mich das Erscheinungsbild des Gebäudes nicht so ganz zum Begriff Startup. Doch das Gebäude lag auch nicht in meinem Fokus, sondern die Kombination Schreinerei und Startup. Der Besprechungsraum, in dem mich Alexander Howind, geschäftsführender Gesellschafter der Howind Furniture GmbH, empfangen hat, strömte dann aber gleich das Gefühl von individuellem Design und Funktionalität aus. Das schöne Ambiente und ein gutes Gespräch mit einem 36-jährigen, äußerst sympathischen Tischlermeister hat die weite Anreise mehr als gelohnt.

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