Weil sich das Produktportfolio in den letzten Jahren immer stärker in Richtung kundenorientierte Objekte ab Losgröße 1 entwickelte und die Serienmaschinen, mit denen man bis dato gearbeitet hatte, in die Jahre gekommen waren, musste man sich 2015 neu aufstellen. Das Ziel – Türenfertigung in Großserie mit automatischer Beschickung – setzt einen modernen Maschinenpark voraus. Sondierungen am Markt ließen erkennen, dass neben langen Lieferzeiten vor allem das Investitionsvolumen gewagt sein würde, denn normalerweise muss man für nur eine der gewünschten CNC-Anlagen einen Wert im fast siebenstelligen Bereich veranschlagen. Es musste also eine andere Lösung her, und der Zufall ließ nicht lange auf sich warten.
Anlage genau zugeschnitten
Ein holländischer Türenhersteller, der ausschließlich mit Tropenhölzern gearbeitet hatte und für Einzelfertigung bekannt war, bot drei Reichenbacher-Anlagen zum Verkauf an. Das Neuform-Team fuhr nach Holland und verschaffte sich vor Ort einen Überblick und war begeistert. Denn die Umsetzung ihrer Idee, eine Komplettbearbeitung ab Losgröße 1 plus geringe Rüstzeiten, war mit diesen Anlagen zum Greifen nahe. Matthias Wolf, Leiter Service bei Reichenbacher, stand ihnen beratend zur Seite, denn „wir hatten noch keine Erfahrung mit 5-Achs-Technik, aber es war uns klar, dass ein umfangreicher technischer Umbau nötig war“, resümiert Daniel Wacker, Technischer Leiter bei Neuform-Türenwerk. Wolf versicherte, dass man im Rahmen des Retrofit die Anlagen perfekt auf den Türenhersteller zuschnitzen würde.
Intelligente Türlösungen
Größte Herausforderung war, dass alle Umbaumaßnahmen parallel zur laufenden Produktion vonstatten gehen mussten. Eine enorme logistische Aufgabe, sowohl an die Produktionsplanung, als auch an die Koordination aller beteiligten Spezialfirmen. Man hatte einen Ruf zu verlieren, denn die Auftraggeber haben hohe Ansprüche an die intelligenten Türlösungen, die nach den Worten von Geschäftsführer Andreas Glock mehr sind als nur ein Raumabschluss.
Türen werden wie kaum ein anderes Bauteil täglich beansprucht. Oft ist es ein Spagat, ausgefallenes Design mit den gesetzlichen und baulichen Anforderungen in Einklang zu bringen und schlussendlich noch in ein gestalterisches Gesamtkonzept einzupassen. Die brillanten Türkonzepte findet man in Hotels, Krankenhäusern, Kindergärten, öffentlichen Gebäuden genauso wie in Schulen oder Kultureinrichtungen. So wie das eindrucksvoll in der Deutschen Botschaft in Peking, im Planetarium ESO Supernova in Garching oder der Elbphilharmonie in Hamburg gelungen ist. Egal ob ein Brand-, Rauch-, Schall-, Einbruch- oder Strahlenschutz gefordert wird, oder ob es um Beschusshemmung oder ein antimikrobielles Türkonzept geht – die Spezialisten beweisen immer außergewöhnliche Flexibilität in Sachen Gestaltung und Ausführungsvielfalt.
Virtuose Maschinentechnik hilft weiter
Verborgen unter der Oberfläche von Türen lassen sich unzählige Anforderungen an Schutz, Beständigkeit und Beanspruchung realisieren. Die Umsetzung gelingt wirtschaftlich aber nur mithilfe virtuoser Maschinentechnik. Als die drei baugleichen CNC-Anlagen vom Typ Vision-II-UT mit Portalladesystem ersteigert wurden, waren sie rund acht Jahre alt. Angeliefert per Sondertransport, bewegt mit Spezialkränen, hatte das im Industriegebiet von Erdmannhausen fast schon Eventcharakter. Die Aufstellung erfolgte mit allen Finessen, da es um Ecken, über Rampen und enge Gassen ging und sogar der Schlüter-Traktor des Nachbarn mit Allrad-Antrieb zum Einsatz kam. Es wurde improvisiert, ein Tor abgebaut und mit einer Flex hier und dort an der Maschine etwas nachgeholfen, bis alles millimetergenau passte und die Maschinen in der Halle standen.
Anlagen für die Ewigkeit gebaut
Die Überholung der gesamten Technik durch Reichenbacher erfolgte parallel zur laufenden Produktion. Während also die alten Anlagen produzierten, konnte man nach und nach komprimiert aufrüsten. Aufgrund des Platzmangels war der zeitnahe Abbau der alten Maschinen, die zweischichtig fuhren, unabdingbar. Man fuhr deswegen Stück für Stück die Kapazitäten dort herunter und erhöhte gleichzeitig die Stückzahlen auf den neuen Maschinen und realisierte auf diese Weise einen fließenden Übergang.
Wacker ist von der Investition nach wie vor überzeugt: „Eine Reichenbacher ist für die Ewigkeit gebaut, was soll da kaputtgehen.“ Am U-förmigen Portalaufbau der drei baugleichen Vision-II-UT-Anlagen sind je zwei kardanisch gelagerte 5-Achs-Aggregate angebracht, und das erlaubt eine hohe Variantenvielfalt aufgrund der möglichen Parallel- oder Einzelbearbeitung. Ein 60-fach bestücktes Ketten-Werkzeugmagazin unterstützt dabei den hauptzeitparallelen Werkzeugwechsel beider Aggregate. Der Durchlauftisch verfügt über eine angetriebene Rollenbahn mit Hubeinrichtung. Vorne ist außerdem eine fest installierte, hinten eine über die NC-Achse verstellbare Saugerleiste mit einzeln anwählbaren Vakuumsaugern und Positionieranschlägen angebracht.
Mehr als 1,2 Millionen Türvarianten
Mit den CNC-Bearbeitungszentren kann alles bearbeitet werden: Kabelführungen, Schloßkästen, Lichtausschnitte, verdeckt liegende Bänder, dreidimensionale Bandsysteme, Mehrfachverriegelungen und vieles mehr. Da Neuform-Türenwerk nur auftrags- beziehungsweise objektbezogen arbeitet, können mit dem hauseigenen Konfigurator über 1,2 Millionen Türvarianten erzeugt werden. Keine Tür ist damit wie die andere, aufgrund dessen kann auch nicht auf fertige Daten zurückgriffen werden. Die Arbeitsvorbereitung programmiert mit NC-Hops jedes Bauteil automatisch, generiert daraus alle notwendigen Daten und erstellt bei Bedarf über einen digitalen Zwilling eine Simulation. Der nachfolgende Bearbeitungsprozess auf der Maschine ist dann relativ einfach. Auch wenn es um Blattmaße bis maximal 3.200 x 1.400mm und Stärken von bis zu 90mm geht.
Welche Intention das Unternehmen verfolgt, lässt sich an einem schönen Statement des Geschäftsführers Glock erkennen: „Hinter jeder Tür steckt für uns weit mehr als das Material. Es sind die Menschen dahinter…“ Dies spiegelt das Selbstverständnis wider, individuell je nach Gebäude, Bereich und Aufgabe beratend zur Seite zu stehen und Impulse geben zu können. Nur so entstehen immer stimmige Türlösungen für das jeweilige Bauvorhaben: Angefangen bei beinahe unsichtbaren, dezenten Elementen bis hin zu optisch ausgefallenen, die Architektur prägenden Stilmitteln.
Autorin: Christina Wegner, freie Fachjournalistin