Roboter im Holzhandwerk integrieren

Roboter könnten große Hilfen in handwerklichen Betrieben der Holzbearbeitung leisten. Dafür wird in einem großangelegten Verbundprojekt eine hochautomatisierte Roboterzelle entwickelt. In der HOB veröffentlichen die Projektbeteiligten einen Überblick der Projektentwicklung und zeigen, wie über virtuelle und erweiterte Realität die Integration der roboterbasierten Holzbearbeitung in Handwerksbetrieben voran getrieben wird.
Am ISW für VR-Anwendungen genutztes Abbild einer Roboterzelle mit automatisierter Werkstückaufspannung für die zerspanende Holzbearbeitung. – Bild: ISW Universität Stuttgart

Im vom BMBF geförderten Verbundprojekt ‚SiRoWo – Simplified Robotic Woodwork‘ wird derzeit eine hochautomatisierte Roboterzelle für KMU entwickelt, in der komplexe Freiformbauteile mit Hilfe verschiedenster Bearbeitungsverfahren gefertigt werden können. Um die Integration der Roboteranlage in Handwerksbetrieben zu erleichtern, liegt ein Fokus des Projekts auf der Evaluierung verschiedener Visualisierungstechnologien für den alltäglichen Einsatz in Werkstätten und der Konzeption von Modellszenarien hierfür.

Große Unternehmen, deren Fokus bisher auf der Fertigung von Produkten in großen Stückzahlen lag, drängen immer mehr in den Markt der Kleinserien- und Einzelstückfertigung und treten so in direkte Konkurrenz mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU), die sich in diesem Marktsegment bisher etabliert haben. Einen Ansatz, die Konkurrenzfähigkeit der KMU sicherzustellen, ist die Automatisierung von Fertigungsprozessen durch den Einsatz von hochautomatisierten Roboterzellen und die damit verbundene Effizienzsteigerung. Diese bieten den Vorteil, dass ein Industrieroboter verschiedene Werkzeuge führen kann und so statt vieler Spezialmaschinen nur eine einzige Anschaffung notwendig ist. Aufgrund der flexiblen Kinematik können dabei auch zuvor nur manuell durchgeführte Tätigkeiten effizient automatisiert werden.

Optimale Automatisierung der Roboteranlage

Um eine optimale Automatisierung der Roboteranlage zu erreichen, müssen auch Unterstützungsprozesse automatisiert werden. Im bisherigen Verlauf des Forschungsprojekts wurden deshalb eine automatisierte Werkstückaufspannung, die sich selbstständig an verschiedenste Bauteilkonturen anpassen und mit dem Bearbeitungsvorgang synchronisieren kann, eine adaptive Absaugvorrichtung, optische 3D-Messtechnik für die Erkennung der genauen Bauteilposition und darauf aufbauend eine Anpassung der Fertigungsplanung an die gemessene Bauteilposition in die Roboterzelle integriert.

Trotz des daraus resultierenden hohen Komplexitätsgrades der Roboterzelle kann diese durch eine angepassten Bedienoberfläche der Roboterprogrammierung und einer Automatisierung aller Teilprozesse auf Steuerungsebene einfach bedient werden. Für eine problemlose Integration in das Werkstattumfeld kann es jedoch sinnvoll sein, Bedienern auch Einblicke in den automatisierten Fertigungsprozess zu geben, da sie mit verschiedenen Robotik-spezifischen Prozessen in Betrieben meist noch keinen Kontakt hatten. An dieser Stelle setzen innovative Visualisierungstechnologien wie virtuelle und erweiterte Realität im Projekt SiRoWo an.

 Konzept zur Anzeige von Bearbeitungsinformationen im Rahmen einer Tablet-basierten AR-Anwendungen
Konzept zur Anzeige von Bearbeitungsinformationen im Rahmen einer Tablet-basierten AR-AnwendungenBild: ISW Universität Stuttgart

Moderne Visualisierungstechnologien

Moderne Visualisierungstechnologien erstrecken sich auf dem Spektrum der gemischten Realität von unserer reinen Realität bis zur komplett virtuellen Realität (VR). Bei der virtuellen Realität handelt es sich um eine vollständig computergenerierte Umgebung, die für einen Betrachter in Echtzeit erzeugt wird. Bewegt sich dann der Bediener mit Hilfe verschiedener Bedienmöglichkeiten in dieser Realität, wird der Eindruck vermittelt, Bestandteil dieser Welt zu sein. Visuell dienen dabei meist VR-Headsets (speziell angepasste Videobrillen) als Schnittstelle, da diese den Nutzer komplett von seiner Umgebung abschirmen und so ein Eintauchen in die virtuelle Umgebung erleichtern. Die Bewegung in der virtuellen Welt und eine Interaktion mit virtuellen Objekten kann beispielsweise durch Tracking der Kopf- und Handbewegungen, einer Bewegung des Nutzers im echten Raum oder durch die Benutzung von Controllern, wie sie auch bei Spielekonsolen verwendet werden, erfolgen.

Die erweiterte Realität (AR, von engl. Augmented Reality) ergänzt die reelle Umgebung durch zusätzliche computergenerierte Inhalte. Die Anzeige der virtuellen Inhalte erfolgt dabei entweder auf einem transparenten Bildschirm oder durch einen konventionellen Bildschirm, der zusätzlich die Umgebung anhand von Kameradaten abbildet. Mit der AR interagiert der Nutzer, ergänzend zu den Methoden der VR, auch durch direkte Interaktion mit Objekten seiner Umwelt.

Virtuelle Realität

Bei VR-Anwendungen wird der Nutzer fast vollständig von seiner Außenwelt abgekapselt. Es ist also zwingend erforderlich, vor der Nutzung sicherzustellen, dass die Umgebung ungefährlich ist und ausreichend Platz zur Verfügung steht. Da dies vor allem im Werkstattumfeld meist nicht gewährleistet ist und VR keinen Zugang zur reellen Maschine erfordert, stellt die ortsunabhängige Interaktion mit Simulationen und virtuellen Maschinen, dem digitalen Zwilling, ein wichtiges Einsatzszenario von VR dar. Bediener, die die Anlage programmieren, können die einzelnen Teilprozesse und Bauteilzustände in frei wählbaren Detailgraden und aus beliebigen Blickwinkeln betrachten. Dies ermöglicht es, in einem analog zur manuellen Bearbeitung ablaufenden Arbeitsfluss, Fehler in der programmierten Bauteilbearbeitung zu erkennen, die von herkömmlichen Simulationstools nicht identifiziert werden können.

 Schema des durchgängigen Datenmanagements mit ExaptSmartControl
Schema des durchgängigen Datenmanagements mit ExaptSmartControl Bild: Exapt Systemtechnik GmbH

Das größte Potenzial von VR in KMU stellt eine realitätsnahe Interaktion mit der virtuellen Maschine dar. Bediener können die Programmierung neuartiger Anlagen gefahrlos an einem virtuellen Maschinenabbild üben und sich so mit den verschiedenen in der Roboterzelle implementierten Prozessen vertraut machen. Während auch erfahrene Roboter-Bediener diese Möglichkeit nutzen können, profitieren vor allem neue Bediener davon, den Einlernprozess gefahrlos am virtuellen Modell durchführen zu können. Durch optimierte Einlernverfahren, die in ihrer Struktur an ein Videospiel erinnern, können neue Bediener effizienter an neuen Anlagen eingelernt werden. Sowohl die reellen Maschinen als auch das Personal, das zuvor das Einlernen neuer Kollegen übernommen hat, können so weitestgehend Teil der wertschöpfenden Produktion bleiben. Im Rahmen von SiRoWo entwickelt das Konsortium aus Forschungseinrichtungen, Softwareunternehmen und Endanwendern eine VR-basierte Prozesssimulation zur Unterstützung der Anlagenprogrammierung samt Einlernprogramm. Beides soll dann auf einem VR-Headset mit den dazu gehörenden Controllern in der Praxis validiert werden.

Erweiterte Realität

Da bei AR der Nutzer immer noch einen Großteil seiner Umgebung wahrnehmen kann, eignet sich AR vor allem für die Integration von Unterstützungsprozessen in das Werkstattumfeld. Während sich die verschiedenen Geräte für den Einsatz von VR nur gering voneinander unterscheiden, existiert eine Vielzahl verschiedener Möglichkeiten, AR umzusetzen.

Brillen, bei denen generierte Grafiken auf eine transparente, direkt vor den Augen angebrachte Scheibe projiziert werden, schränken den Handwerker in seiner Umgebungswahrnehmung kaum eine und ermöglichen es, während der Benutzung beide Hände für andere Tätigkeiten einzusetzen. Wird hingegen bei einer Brille die Umgebung von einer Kamera erfasst und auf konventionellen Bildschirmelementen wiedergegeben, kann es durch geringe zeitliche Verzögerungen und ungewohnte Blickwinkel zur Beeinträchtigung der Umgebungswahrnehmung kommen.

Um diese Nachteile auszugleichen, können Tablets eingesetzt werden, die durch eine Trackingfunktion im Raum ihre eigene Position ermitteln und so je nach Situation verschiedene Dienste anzeigen. Zwar wird der Bediener hierbei durch das Halten des Tablets in seinen möglichen Tätigkeiten eingeschränkt, er kann sich durch seine nicht beeinflusste Umgebungswahrnehmung jedoch frei bewegen und somit gut in das Werkstattumfeld integrieren. Dieser Ansatz wird auch in SiRoWo verfolgt. Ein auf den Endeffektor des Roboters gerichtetes Tablet zeigt sowohl die nächsten Bearbeitungsschritte als auch aktuelle Bearbeitungsparameter als Overlay der Kameraaufnahme an. Dadurch können Bediener stets unabhängig vom eigenen Standort die Bauteilbearbeitung verfolgen.

Integration in den Betrieb

Will ein Betrieb moderne AR- oder VR-Technologien einsetzen, können bereits vorhandene Prozesse der IT-Landschaft dieses Bestreben unterstützen. Vor allem ein durchgängiges Datenmanagement, das alle Prozesse eines KMU-Betriebs umfasst, ist sinnvoll. Hiermit kann sichergestellt werden, dass VR- und AR-Anwendungen stets die korrekten Daten zur Verfügung stehen und somit in Simulationen und Visualisierungen der Realität entsprechen. Ein solches Verwaltungssystem wird vom Projektpartner Exapt Systemtechnik zur Verfügung gestellt und kommt auch in der entwickelten Roboterzelle im Rahmen des Forschungsprojekts zum Einsatz.

Auch für Visualisierungen kann auf bereits existierende Softwarekomponenten, wie etwa Simulationen des Materialabtrags, zurückgegriffen werden. Hier werden vom Projektpartner ModuleWorks solche für CAM-Programme entwickelte Komponenten zur Verfügung gestellt und im Rahmen des Forschungsprojekts untersucht, inwiefern durch VR und AR der Zugang zu solchen Simulationen im Bereich der Bearbeitungsrobotik im Handwerk verbessert werden kann.

Hinweis zur Förderung

Das Forschungsvorhaben, das diesem Bericht zugrunde liegt, wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 03VNE2100l gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.

Autoren:

Andreas Schütz, wissenschaftlicher Mitarbeiter ‚Antriebssysteme und -regelung‘ am Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) der Universität Stuttgart;

Michael Neubauer, Gruppenleiter ‚Antriebssysteme und -regelung‘;

Dr.-Ing. Armin Lechler, stellvertretender Institutsleiter und geschäftsführender Oberingenieur;

Prof. Dr.-Ing. Alexander Verl, Institutsleiter; Dr.-Ing. Marc Stautner, Director Research, ModuleWorks GmbH;

Michael Königs, Forschungsprojektleiter, Forschungsvereinigung Programmiersprachen für Fertigungseinrichtungen

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