Wegen der Vielfalt und Individualität seines im mittleren bis hohen Preissegment angesiedelten Fertigungsprogramms wird der ostwestfälische Küchenhersteller Rotpunkt mitunter als ‚Variantenweltmeister‘ bezeichnet. So kann der Kunde hinsichtlich der Fronten, Seitenteile und Zwischenböden zwischen mehr als 75 verschiedenen Farben wählen, so dass produktionstechnisch ein häufiger Wechsel zugehöriger Kantenbänder notwendig ist. In enger Zusammenarbeit mit dem Anlagenbauer IMA Schelling und dem Klebetechnikspezialisten Nordson wurden jüngst zwei Kantenanleimmaschinen dergestalt umgerüstet, dass der alternative Einsatz von transparentem und weißem Hotmelt entscheidend optimiert wurde.
Der Ursprung von Rotpunkt Küchen in Bünde ist eine 1930 gegründete Kistenfabrik. Modernisierung stand seither auf der Agenda des Unternehmens. Heute beschäftigt die mittelständische Traditionsfirma über 300 Mitarbeiter und fertigt jeden Tag etwa 140 Küchen respektive 3.500 Fronten und 8.000 Korpusteile. Deren Endmontage erfolgt am Stammsitz, die Vorfertigung aller Bauteile sowie das Spanplatten- und MDF-Platten-Lager befinden sich im unweit gelegenen Preußisch Oldendorf-Getmold.
Dort sind unter anderem zwei in den Jahren 2003 und 2014 installierte Kantenanleimmaschinen der Novimat-Baureihe der IMA Schelling Group im Einsatz. Sie arbeiten mit einer Geschwindigkeit von 20m/min und erlauben Werkstückhöhen zwischen 8 und 25mm sowie Rollenmaterial bis zu 3mm Dicke. Konzipiert als Allrounder, können im Übrigen auch Massivholzleisten oder Echtholzfurniere verklebt werden.
In jeder der beiden Anlagen wurde die Anbringung der thermoplastischen Kantenbänder in der Vergangenheit von nur einer Walzen-Auftragseinheit erledigt, in der für helle Fronten weißer Klebstoff, für farbige bzw. dunklere Dekore transparenter Leim genutzt wurde. Zur Vermeidung des zeitintensiven Austauschs und Reinigungsaufwands trafen die Techniker von Rotpunkt im vergangenen Jahr die grundsätzliche Entscheidung, künftig mit Hilfe eines zweiten Verleimteils im Wechsel zu fahren. Da der Einbau eines weiteren Walzen-Aggregats aus konstruktionstechnischen Gründen nicht möglich war, wurde gemeinsam mit Nordson in der Kombination aus einem Melt-on-Demand-Schmelzgerät, einem Schlitzdüsen-Applikator und einer speziellen Leimsorte eine sehr zufriedenstellende Lösung gefunden.
Effizientes PUR-Schmelzgerät
Die Umrüstung der beiden Kantenanleimmaschinen erfolgte im September bzw. November 2021 in der Weise, dass nun an jeder Anlage zum Auftrag des transparenten Leims ein Schmelzgerät des Typs VersaPUR zum Einsatz kommt. Wie der Name bereits andeutet, ist es auf die Verarbeitung von reaktivem Polyurethan (PUR)-Schmelzklebstoff ausgelegt. Dieser wird – verpackt in Folienbeuteln – in das Reservoir des Melters eingebracht. Ein Pneumatikzylinder senkt einen Stempel mit einstellbarer Kraft auf das Großgebinde und garantiert so nicht nur dessen bestmögliche Restentleerung, sondern sorgt auch für einen optimalen, direkten Kontakt zwischen dem Hotmelt und der Schmelzplatte. Ein schwenkbarer Tankdeckel gewährleistet einen leichten Austausch bzw. die problemlose Entsorgung der Beutel.
Zur Verringerung der thermischen Belastung und zum Schutz der Verklebungseigenschaften verfügt das Schmelzgerät über eine bedarfsgerecht erhitzende und somit energieeffiziente Melt-on-Demand-Funktion. Der Pegel des geschmolzenen Klebstoffs im Vorratsbehälter schaltet den pneumatischen Zylinder und die Schmelzplatte ein und aus. Zudem warnt ein im Reservoir montierter Mess-Sensor mit zwei Schaltpunkten vor einem zu hohen oder niedrigen Füllstand.
Der individuell konfigurierbare und damit flexibel an die jeweiligen Anforderungen anpassbare Melter ist mit einer grafischen Touchscreen-Systemsteuerung ausgestattet. Zahlreiche programmierbare Standardfunktionen erleichtern den Betrieb und die Wartung im Produktionsalltag, wobei im beschriebenen Fall die VersaPUR-Steuerung mit derjenigen der Novimat synchroniert ist. Die von dem Nordson-Gerät gesendeten Daten werden von der IMA Schelling-Maschine verarbeitet. So werden zum Beispiel automatisch die Werkstückhöhe verstellt oder die Pumpenleistung angepasst.
Spezieller Schlitzdüsen-Applikator
Zur eigentlichen Kantenbeleimung speist das VersaPUR-Schmelzgerät einen Schlitzdüsen-Applikator des Typs EB 60 Flex; ein Klebstoff-Auftragsaggregat, mit dem sich Nordson eine gewisse Alleinstellung zubilligt. Es realisiert Beschichtungsbreiten zwischen 5 und 60mm und arbeitet äußerst präzise sowie verbrauchseffizient. Der Auftragskopf nutzt eine Volumenkompensierung zur Angleichung der Klebstoffmenge bei Änderungen der Beschichtungsbreite, um ein Herausquellen des Leims und/oder eintretende Luft zu vermeiden. Im Ergebnis wird durchgehend ein exakter und konsistenter Hotmelt-Auftrag erzielt.
Ein weiteres signifikantes Merkmal des Applikators ist sein Düsenverschluss-System zum Schutz der Klebstoffe vor Lufteinwirkungen, so dass bei Maschinenstopps ein Aushärten verhindert wird. Des Weiteren verdient die automatische Anpassung der Beschichtungsbreite mit Hilfe von Eingaben an einem Touch-Screen-Panel eine besondere Erwähnung. Neben dieser motorischen Variante, die bei Rotpunkt Küchen installiert ist, umfasst die EB 60 Flex-Baureihe auch eine manuell einstellbare Version. Im Übrigen lässt sich der spezielle Schlitzdüsen-Applikator auf einfache Weise in eine Vielzahl von Systemen anderer Hersteller integrieren.
Ideale Leimsorte
Als ideale Leimsorte hat sich bei Rotpunkt Küchen der transparente PUR-Kantenschmelzklebstoff Jowatherm-Reaktant 607.40 der Detmolder Firma Jowat erwiesen. Aufgrund des Einsatzes von 20-kg-Großgebinden ist beim üblichen Drei-Schicht-Betrieb nur alle eineinhalb bis zwei Tage ein Wechsel erforderlich. Laut Aussage des Herstellers zeichnet sich der Heißleim u.a. durch eine hervorragende Stabilität in der Schmelze und eine gute Anfangsfestigkeit aus. Seine Aushärtezeit beträgt ca. 24 Stunden.
Perfektioniert wird das System durch innovative PureFlow-Schläuche von Nordson. Im Gegensatz zu herkömmlichen Zuleitungen reduzieren sie erheblich die Auswirkungen von Klebstoffdegradierung wie Verkoken, Verhärten etc. Dadurch werden Düsenverstopfungen bzw. Maschinenstillstandszeiten minimiert. Zudem spart die verlängerte Lebensdauer der Schläuche Wartungs- und Instandhaltungskosten.
Positive Praxiserfahrungen
Nach ersten Monaten praktischer Erfahrung mit dem neuen Kantenband-Anleimsystem äußert sich Manuel Wischmeyer, der als Teamleiter Instandhaltung im Werk Getmold das Projekt betreute, sehr zufrieden: „Die Installation hat unsere Erwartungen sogar noch übertroffen. Die Lösung von Nordson ist optimal und sucht ihresgleichen. Wir können nun reibungslos mit geringem Wartungs- bzw. Reinigungsaufwand im Wechsel zwischen transparentem und weißem Heißleim fahren. Natürlich muss das System gepflegt und der Bediener geschult werden. Aber unter dem Strich hatten wir von Anfang an keine Probleme und auch die Ersatzteilversorgung klappt sehr gut.
Besonders überrascht hat uns der eingesetzte Schmelzklebstoff. Ursprünglich war diese Sorte gar nicht für diese Anwendung vorgesehen, aber der transparente PUR-Kleber liefert beste Ergebnisse, so dass wir bei diesem geblieben sind. Die Qualität der Leimfugen ist einwandfrei und selbstverständlich prüfen wir die saubere Kantenband-Verklebung entsprechend der technischen Normierung der AMK (Arbeitsgemeinschaft Die Moderne Küche e.V.).
Thomas Meyer, der zuständige Gebietsleiter bei Nordson Deutschland mit Zentrale in Erkrath, ergänzt: „Im Retrofitting war es auch für uns in gewisser Weise Neuland und die jetzige IMA Schelling-Nordson-Konstellation ist bis dato einzigartig. Auf diese Weise wurde von uns noch keine Anlage nachgerüstet und umso erfreuter sind auch wir über das positive Ergebnis.“ Beide loben zudem die gute Zusammenarbeit mit der IMA Schelling Group, namentlich mit Frank Hüllhorst vom Service Consulting und Sales. Als langjähriger Rotpunkt-Ausrüster konnten auch seitens des Lübbecker Anlagenbauers wichtige Impulse zur technischen Realisierung gegeben werden.