Herr Giese, mit welchen Zielsetzungen haben Sie vor gut sieben Jahren die Geschäftsführung bei Heesemann übernommen?
Christoph T. Giese: Mich hat die Herausforderung gereizt, dieses renommierte Traditionsunternehmen mit rund 120 Mitarbeitern für die Zukunft aufzustellen. Heesemann genießt am Markt von jeher einen sehr guten Ruf, weil sich unsere Maschinen durch hohe Qualität und Verfügbarkeit auszeichnen. Zu unseren Kunden zählen viele namhafte Möbel- und Küchenhersteller, Parkettfertiger, Türen-, Fenster- und Treppen-Produzenten. Aktuell laufen weltweit etwa 10.000 Heesemann-Maschinen, die im permanenten Drei-Schicht-Betrieb durchschnittliche Lebensdauern von über 30 Jahren erreichen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, unser Markenprofil weiter zu schärfen und die Qualitätsmerkmale noch stärker auf den Kundennutzen und veränderte Kundenerwartungen zu fokussieren. Ein wichtiger Schritt bestand im Ausbau unseres Produktportfolios, um über die holzverarbeitende Industrie hinaus verstärkt kundenindividuelle Lösungen auch für das Handwerk anzubieten und mit unserer Fertigungskompetenz auch Maschinen für andere Werkstoffe zu produzieren. Vor allem im Segment der Metallbearbeitung sehen wir aufgrund der neu entwickelten Entgrataggregate sehr signifikantes Wachstumspotenzial. Die ersten Rückmeldungen von Neukunden in diesem Segment übertreffen unsere Erwartungen.
Einen weiteren Schwerpunkt haben wir auf die Erweiterung unseres Kundensupports gelegt. Rund um den Globus unterhalten wir zahlreiche Service-Stützpunkte und liefern sämtliche Verschleiß- und Ersatzteile direkt ab Werk in Originalausführung. Durch professionelle Beratung, spezifische Servicepakete und Wartungsangebote, Upgrades und Schulungen stellen wir sicher, dass die Verfügbarkeit und der Nutzungsgrad der Maschinen dauerhaft hoch bleibt. Ältere Maschinen können mit unserem Rebuild-Service vom Austausch einzelner Elemente bis zur Generalüberholung auf den aktuellen Stand der Technik gebracht werden.
Wir verstehen uns als industrielle Manufaktur. Dank unserer ausgeprägten Fertigungstiefe können wir individuelle Lösungen mit industriellen Entwicklungs- und Produktionsverfahren effizient in gleichbleibend hoher Qualität und schneller produzieren als unsere Marktbegleiter. So ist gewährleistet, dass unsere Maschinen über Jahrzehnte hinweg in Kernbaugruppen völlig verschleißfrei arbeiten, die schwere Bauweise unserer Anlagen garantiert verwindungssteife Grundkonstruktionen über das gesamte Maschinenleben. Verformungen, Vibrationen oder Schwingungen, die sich negativ auf die Bearbeitungsqualität auswirken, kennen wir in unseren Anlagen nicht.
Wodurch zeichnet sich Heesemann gegenüber dem Wettbewerb aus?
Giese: Jeder Prozessschritt in der Fertigung und Montage, der Einfluss auf das finale Schleifergebnis hat, wird von uns selbst durchgeführt. Von der Entwicklung und Konstruktion über die Schweißarbeiten für die CNC-Bearbeitung des Maschinenkorpus, die Herstellung der verbauten Aggregate bis zur Steuerungssoftware und den Anwendungsprogrammen bieten wir komplette Lösungen aus einer Hand.
In unserem Technikum durchlaufen die Maschinen umfangreiche Testreihen, um applikationsspezifisch die besten Schleifresultate zu erzielen. Für die Auslieferung und Abnahme verfügen wir über ein erfahrenes Team aus Service-Mitarbeitern und Anwendungstechnikern, die die Maschinen optimal auf die konkreten Applikationen einstellen. Das erfordert viel Knowhow, weil kleinste Veränderungen oftmals große Auswirkungen haben können. Dabei erfahren unsere Mitarbeiter im direkten Kundenkontakt oft auch als Erste von aktuellen Trends in der Holzbearbeitung wie z.B. sägeraue Oberflächen oder Vintage-Look. Das ermöglicht uns, die Schleifmaschinen frühzeitig für neue Aufgaben zu präparieren.
Worauf wird beim Industrieeinsatz von Schleifmaschinen besonderer Wert gelegt?
Giese: Im Industriesektor ist Life-Cycle-Cost oftmals ein zentrales Entscheidungskriterium für unsere Kunden. Die Investition in eine neue Schleifmaschine ist dann besonders sinnvoll, wenn z.B. durch eine erhöhte Prozessgeschwindigkeit Produktivitätsvorteile entstehen, Kosten für Wartung und Reparaturen auf niedrigstem Niveau sind und die Lebensdauer der Anlagen von 30 Jahren und mehr weit stärker ins Gewicht fallen als die reinen Anschaffungskosten. Auch hier erreichen unsere Maschinen Bestwerte, weshalb sich unter anderem die größten Möbelproduzenten der Welt seit langem auf unsere Lösungen verlassen und weniger geeignete Maschinen konsequent gegen Heesemann austauschen. Von zentraler Bedeutung ist auch die kundenspezifische Auslegung der Maschinen, damit sie sich in Arbeitsbreite, Vorschubgeschwindigkeit, Anzahl und Anordnung der Schleifaggregate und Leistung der Aggregate selbst exakt in den Bearbeitungsprozess einfügen. Denn in der Regel werden unsere Maschinen nicht separat betrieben, sondern sind direkt in Lackier- oder anderen Prozessanlagen verkettet. Jede Maschine muss daher so konfiguriert und parametriert werden, dass die gesamte Prozesskette optimal aufeinander abgestimmt ist. Darauf vertrauen auch marktführende Hersteller von Holzbearbeitungsanlagen, die unsere Schleifmaschinen standardmäßig in die von ihnen produzierten Fertigungslinien integrieren.
Welche Faktoren sind maßgeblich für die Effizienz und Wirtschaftlichkeit?
Giese: In der TCO-Betrachtung schneiden unsere Maschinen im Marktvergleich trotz oftmals höherer Anschaffungskosten am besten ab, weil sie dauerhaft hohe Schleifqualität mit geringeren Betriebs- und Materialkosten erreichen. Ein großer Kostentreiber ist der Schleifbandverbrauch. Wenn z.B. bei einer Maschine mit sechs Schleifaggregaten die Schleifbänder pro Schicht einmal ausgetauscht werden müssen, übersteigen allein diese Kosten auf die gesamte Lebensdauer bezogen den ursprünglichen Kaufpreis der Maschine um ein Mehrfaches. Heesemann-Maschinen sorgen durch ihre präzise und gleichmäßige Schleifleistung, aber auch durch neue und innovative Konzepte zum optimierten Management der Werkzeuge dafür, dass sich der Materialverschleiß deutlich reduziert. Damit leisten sie einen signifikanten Beitrag zur verbesserten Wirtschaftlichkeit der ganzen Anlage.
Inzwischen arbeiten wir an sensorgestützten Verfahren, um die gewonnenen Prozessdaten mit neuen wissenschaftlichen Methoden auszuwerten, damit es bei der Konfiguration und dem Feintuning der Anlagen nicht mehr so häufig heißt: „Das muss ich mir erst erschleifen“.
Welche weiteren Schwerpunkte setzen Sie in der Technologieentwicklung?
Giese: Wir nutzen die digitalen Möglichkeiten zur kontinuierlichen Prozessoptimierung in allen Bereichen der Oberflächenbearbeitung. So haben wir mit KinematIQ als erster und einziger Anbieter eine Software entwickelt, mit der sich die Qualität der Kantenverrundung von Metallblechteilen mathematisch exakt vorherbestimmen lässt.
Das Programm benötigt als Input nur die Anordnung der Werkzeuge und deren Bewegungsablauf und ermittelt dann das Ergebnis der Verrundung. Damit können wir für jedes Verrundungsverfahren den Grad der Gleichmäßigkeit und Intensität determinieren.
Da herkömmliche oft als ‚Planetenkopf‘ bezeichnete Aggregate bei der Entgratung der Werkstücke ein unregelmäßiges Schleifergebnis aufweisen, haben wir auf Basis der praktisch validierten Prozessdaten eine gänzlich neue Kinematik für unsere Teller- und Lamellenbürstenaggregate konstruiert.
Bei den RUT-Aggregaten rotieren 18 Tellerbürsten um die eigene Achse und bewegen sich gleichzeitig in einer umlaufenden Bahn um das Aggregat.
Beim neuen RUL-Aggregat werden die Lamellenbürsten zusätzlich noch in eine Rotation um die horizontale Achse versetzt. Die Geschwindigkeit von Rotation, Umlauf und Vorschub lässt sich stufenlos einstellen.
Mit der neuen Kinematik erreichen wir herausragende Ergebnisse bei homogener Abnutzung der Werkzeuge. Diese Innovationen bleiben nicht auf den Metallblech-Sektor beschränkt, sondern lassen sich auch für softwarebasierte Prozessoptimierungen in der Holzbearbeitung adaptieren.
Das Interview führte Rüdiger Eikmeier.
Heesemann: Profilierter Maschinenbauer für richtigen Schliff
Die Karl Heesemann Maschinenfabrik GmbH & Co. KG mit Sitz in Bad Oeynhausen ist ein weltweit führender Hersteller von Schleifmaschinen für die Holz- und Metallbearbeitung. Die modular konzipierten Maschinen des westfälischen Maschinenbauers lassen sich für den ober- wie unterseitigen Materialschliff konfigurieren und werden kundenspezifisch mit der gewünschten Anzahl von Längs-, Quer- bzw. Schwingschleifaggregaten oder unterschiedlichen Bürstenaggregaten zum Schleifen und Strukturieren von Holzoberflächen ausgestattet. Zur Entstaubung und Absaugung bietet der Hersteller unterschiedliche Reinigungsmodule mit kontaktlosen oder mechanischen Wirkprinzipien an. Darüber hinaus führt Heesemann Qualitätslösungen für die Metallblechbearbeitung vom Entgraten über das Oberflächenfinish bis zur Kantenverrundung im Programm. Das Unternehmen beschäftigt rund 120 Mitarbeiter und ist seit 2014 im Besitz der Corvis-Beteiligungsgesellschaft.