Im Test

Handerkennung bei Formatkreissägen

Die Entwicklung und Anwendung innovativer Schutzeinrichtungen zur kontaktfreien und robusten Handerkennung gewinnt immer mehr an Bedeutung. Besonders im Fokus stehen hierbei Sägemaschinen, wie z.B. Formatkreissägen. Da aktuell immer mehr Sensorsysteme und KI-Modelle für Handerkennung auf dem Markt erscheinen, kann eine allgemeine und flexible Testvorrichtung bei der Untersuchung im praxisnahem Umfeld hilfreich sein. Wir stellen eine Untersuchung des Fraunhofer Instituts für Produktionstechnik (IPA) vor.
 Demo-Aufbau an einer Baustellenkreissäge
Demo-Aufbau an einer BaustellenkreissägeBild: Fraunhofer-Institut IPA

Formatkreissägen sind aufgrund des nicht vorhandenen Eingriff-Schutzes und der hohen Schnittgeschwindigkeiten im Holzbereich kritische Maschinen. Themen wie der Fachkräftemangel verschärfen dies noch weiter. Dadurch kommt es immer wieder zu teils erheblichen Verletzungen. Auch der Umstand, dass bestehende Sicherheitseinrichtungen an verfügbaren Sägemaschinen keinen einwandfreien Schutz vor Verletzungen bieten, macht sich in der Unfallstatistik bemerkbar. Bestehende klassische Schutzeinrichtungen wie Schutzhaube, Warnlichter usw. verhindern nicht in jedem Fall schwere Verletzungen. Erste Überwachungssysteme sind daher in den letzten Jahren schon auf den Markt gekommen.

Neue Möglichkeiten durch verbesserte Soft- und Hardware

Hardware die vor einigen Jahren noch viel zu teuer und ungeeignet hierfür erschien entwickelt sich nun immer mehr zu interessanten Alternativen. Außerdem hat sich auf der Softwareseite die Objekterkennung mittels künstlicher Intelligenz auch in einem Maße verbessert, dass Detektionsmodelle nun bereits mit ausreichend niedriger Latenz und bei preiswerter Rechenleistung echtzeitfähig laufen können.

Für die Entwicklung neuer Sicherheitssysteme wird es daher immer interessanter unter kontrollierten Bedingungen die Schwächen der am Markt befindlichen Hard- und Software analysieren zu können oder Einflussfaktoren die z.B. auf die Sensorpositionierung zurückzuführen sind, zu ermitteln.

 Mit Hilfe der installierten Draufsicht-RGB-Kamera lassen sich auch KI-Modelle untersuchen. Hier wird an einem System mit besonders hoher Latenz gezeigt, wie stark die Unterscheidung von der aktuell detektierten zur tatsächlichen Position in hochdynamischen Situationen ausfallen kann.
Mit Hilfe der installierten Draufsicht-RGB-Kamera lassen sich auch KI-Modelle untersuchen. Hier wird an einem System mit besonders hoher Latenz gezeigt, wie stark die Unterscheidung von der aktuell detektierten zur tatsächlichen Position in hochdynamischen Situationen ausfallen kann.Bild: Fraunhofer-Institut IPA

Aufbau der Testvorrichtung

Hierzu wurde am Fraunhofer IPA eine automatische Testvorrichtung entwickelt. Mithilfe eines kollaborierenden Tischroboters von Universal Robots und einem Testkörper, welcher der menschlichen Hand nachempfunden ist, können verschiedene Trajektorien, mit vorab definierten Beschleunigungen und Geschwindigkeiten erstellt werden. Dies ermöglicht es maßgeschneiderte Testszenarien zu programmieren und dann unter Verwendung verschiedenster Setups abzufahren.

Der Testarm besteht aus einer synthetischen Silikon-Armprothese deren dielektrische Materialeigenschaften wurden durch Modifikation dem Verhalten einer realen menschlichen Hand angenähert. Dies ist speziell für die Untersuchung von Sensoren wichtig, die elektromagnetische Wellen aussenden (z.B. Radar). In Vergleich-Tests mit menschlichen Händen wurde nachgewiesen, dass KI-Modelle keinen Unterschied zwischen einem realen oder dem synthetischen Körperteil machen.

Sensortypen und KI-Modelle testen

Dem Anwender bietet der Prüfstand nun zum einen die Möglichkeit verschiedene Sensortypen in verschiedensten Positionierungen zu testen als auch KI-Modelle zu untersuchen. Dies wird am Beispiel eines 3D-Radarsystems und dem Handerkennungsmodells MediaPipe vorgestellt.

Sobald der Messvorgang startet wird durch das Datensynchronisations-Protokoll RTDE (Real-Time Data Exchange) die Position des Tool-Center-Points (TCP) mit bis zu 500 Hz abgetastet. Gespeichert werden hierbei nicht nur die Position mit einer Genauigkeit von +/- 0,1mm, sondern auch Geschwindigkeitskomponenten. Durch eine exakte Vermessung der Armprothese sind deren Maße bekannt. Mit Hilfe der Positionsdaten des Roboter TCP und der Maße der Hand kann die genaue Position der Hand und damit die Ground-Truth zur Validierung ermittelt werden.

Prozesspipeline

Parallel erfolgt das Abspeichern der Sensor-Messpunkte in einer Log-Datei. Die detektierten Positionsergebnisse des KI-Modells werden ebenfalls so hinterlegt. Hierbei wird beim Erstellen des Zeitstempels jeweils auf dieselbe Systemzeit wie die des Roboters zurückgegriffen. In einem nächsten Schritt setzt ein Transformationsalgorithmus an, welcher mittels trigonometrischen Berechnungen die gemessenen und detektierten Datenpunkte in das Koordinatensystem des Roboters legt. Am Ende dieser Prozesspipeline erfolgt eine Auswertung durch Abgleich der tatsächlichen Position des Roboters bzw. der Hand und den Sensor- und KI-Modell-Ergebnissen. Bestimmen lassen sich hierdurch die Abtastrate, Latenz, Detektionsschwelle und Robustheit z.B. bei dynamischen Verhalten oder speziellen Umwelteinflüssen (Schattenwurf, Staubbildung, Verdeckungen). Es lassen sich daraus Erkenntnisse zur Sensor-Positionierung ableiten um z.B. beim Radar Reflexionen und daraus resultierende Geistersignale zu reduzieren. Auch lässt sich die Effektivität von Rauschunterdrückungs-Algorithmen (Background-Substraction) analysieren. Des Weiteren werden verschiedene KI-Modelle oder deren Adaption an neue Bedingungen, wie dem erkennen von Handschuhen, vergleichbar.

Mit Hilfe der installierten Draufsicht-RGB-Kamera lassen sich auch KI-Modelle untersuchen. Hier wird an einem System mit besonders hoher Latenz gezeigt wie stark die Unterscheidung von der aktuell detektierten, zur tatsächlichen Position, in hochdynamischen Situationen ausfallen kann

Konzept übertragbar

Die Testvorrichtung bietet die Möglichkeit breitgefächert verschiedenste Hardware und Software für Sicherheitssysteme im Umfeld einer Kreissäge unter kontrollierten und reproduzierbaren Bedingungen zu untersuchen. Dabei ist der grundsätzliche Aufbau auf verschiedenste andere Maschinentypen und Arbeitsvorgänge übertragbar, bei denen es auch darauf ankommt einen Bediener bzw. dessen Hände vor Gefahrensituationen zu schützen.

Autoren: Tim Brander, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, und Tim Mayer, Gruppenleiter Sägetechnologie, Fraunhofer IPA

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