Forschungsprojekt zum Baustoff Holz

Robotergewickeltes Furnier

Bei Leichtbau denken wenige an 0,5mm dünnes Furnier. An der Universität Kassel haben Forscher aber ein Verfahren entwickelt, das Konstruktionen aus genau diesem Holz erlaubt. Gewickelt und geklebt werden sie mithilfe von ABB-Robotern.
 Im Rahmen von 3DWoodWind hat die Universität Kassel ein Verfahren entwickelt, bei dem Deckenelemente und Stützpfeiler mit bis zu 1m 
Durchmesser und 3,5m Länge aus gewickeltem Furnier hergestellt werden.
Im Rahmen von 3DWoodWind hat die Universität Kassel ein Verfahren entwickelt, bei dem Deckenelemente und Stützpfeiler mit bis zu 1m Durchmesser und 3,5m Länge aus gewickeltem Furnier hergestellt werden.Bild: EDEK / Universität Kassel

Die Baubranche ist im Umbruch. Gefragt sind neue Lösungen, die nachhaltiges, preiswertes Bauen erlauben. Holz spielt hier als nachwachsender Rohstoff eine wichtige Rolle. Teurer Baugrund bedingt jedoch aufgestockte Gebäude – eine Herausforderung für die Statik, die ihr mit Leichtbauverfahren begegnet. Im Rahmen des Forschungsprojekts 3DWoodWind hat Prof. Philipp Eversmann dafür an der Universität Kassel zusammen mit wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studenten ein dreidimensionales Verfahren entwickelt. In ihm werden Deckenelemente und Stützpfeiler mit bis zu 1m Durchmesser und 3,5m Länge aus gewickeltem Furnier hergestellt. Sie werden computergesteuert mithilfe von Robotern gefertigt und wiegen weitaus weniger als Vollholz- oder Betonkonstruktionen. Mit geringem Materialeinsatz gelingen so Hohlbauteile mit hohem Tragverhalten. Für Entwicklung und Fertigung kommen Roboter von ABB zum Einsatz. Weil diese Roboter atypisch eingesetzt werden, hat der Lehrstuhl eigene Tools und Softwares erdacht.

 Das Furnierband muss beim 
Anbringen präzise, falten- und verzugsfrei 
aufgetragen werden.
Das Furnierband muss beim Anbringen präzise, falten- und verzugsfrei aufgetragen werden.Bild: EDEK / Universität Kassel

Herausforderung parametrisierte Robotersteuerung

Furnier hat eine besondere Eigenart: Es behält die Eigenschaften seines Ursprungs und erlaubt stabile Konstruktionen bei geringen Dicken und niedrigem Gewicht. Allerdings muss es dazu falten- und knickfrei aufgetragen und mit hohem Druck verklebt werden. Und: Für die Tragwirkung muss die natürliche Faserrichtung des Holzes innerhalb der Bauteile ausgerichtet werden. Anders als üblich lassen sich hier aber keine Pressen einsetzen – erreicht werden kann das nur über hohe Zugkräfte. Eine weitere Herausforderung ist die Roboteransteuerung: Industrieroboter kommen oft in der industriellen Fertigung zum Einsatz und vollführen in klar definierter Umgebung wiederkehrende Bewegungen – oft mit hohen Geschwindigkeiten. Bei der Fertigung gewickelter Holzkonstruktionen mit ihren vielfältigen Bewegungen ist eine andere, neue Herangehensweise geboten. Es gilt, die Bewegungen der Roboterarme über Algorithmen synchron zur Drehbewegung des Rohkörpers zu steuern. Die Anwendung muss außerdem für einen hohen Zug sorgen, um den nötigen Anpressdruck für den Kleber zu erzeugen. Hier kommt es auf millimetergenaue Arbeit bei dreidimensional komplexen Gebilden an, die mit jeder Schicht andere Dimensionen einnehmen. Das 48mm breite und 0,5mm dicke Furnierband muss beim Anbringen auf das Schalungselement präzise, falten- und verzugsfrei aufgetragen werden.

 Für den Klebstoffauftrag hat die Uni Kassel 
zusammen mit Partnern einen Endeffektor mit Pumpsystem entwickelt.
Für den Klebstoffauftrag hat die Uni Kassel zusammen mit Partnern einen Endeffektor mit Pumpsystem entwickelt.Bild: EDEK / Universität Kassel

Softwareentwicklung in CAD-Umgebung

Für die Umsetzung der Idee hat der Lehrstuhl die 3D-Modellierungssoftwares Rhino und Grasshopper eingesetzt. Letzterer ist ein algorithmischer Modellierungseditor, der ein parametrisiertes Design ermöglicht: Veränderungen in den Parametern wirken sich hier sofort auf die Modellierung aus. Für die Ansteuerung der ABB-Roboter haben Eversmann und sein Team das als Open Source verfügbare Plugin Robot Components entwickelt. Damit können Studenten in einem 3D-Modell auf Basis eigener Bauteilzeichnungen die Bauprozesse und Roboterbewegungen planen und simulieren. Die Robot Components erzeugen außerdem den Programmcode zur Ansteuerung der ABB-Roboter. Möglich ist auch, eigene Daten in ABB RobotStudio zu importieren.

Umsetzung mit Robotern unterschiedlicher Größe

Die Anlage wurde für den Einsatz über eine Absolut-Vermessung von einem ABB-Techniker optimiert. Hier zeigte sich, dass die Anforderungen an die Robotersteuerung höher sind als in der herkömmlichen industriellen Produktion. Zu Beginn des Projekts kamen zwei IRB 1200-Industrieroboter zum Einsatz, mit deren Hilfe Modelle produziert wurden. Die Entwicklungen und Erfahrungen wurden später auf die große Anlage mit zwei IRB 4600 übertragen. Er zeichnet sich durch eine geringe Störfläche und einen kleinen Störradius aus, weshalb er sich nah am Werkstück platzieren lässt und eine Reichweite von bis zu 2,55m besitzt. Hinzu kommt ein IRBP L-Werkstückpositionierer mit Rotationsachse, der die Form hält, auf die der IRB 4600 Holzbänder anbringt. Der Positionierer gleicht automatisch die Auswirkungen von Schwerkraft, Trägheit und Reibung aus. Die eingebaute Load Identification berechnet sowohl Schwerpunkt als auch Trägheit des Werkstücks und der Spannvorrichtung. Für den Klebstoffauftrag hat die Uni Kassel zusammen mit Oest und Jowat einen Endeffektor mit Pumpsystem entwickelt. Er kann das Furnierband aus Buchenholz, das auf 200-Meter-Rollen angeliefert wird, zugleich extrudieren, beleimen und automatisiert zuschneiden. Über zwei integrierte Druckfedern im Endeffektor lässt sich eine definierte Zugkraft auf das Furnierband einstellen. Das gewährleistet einen ausreichenden Anpressdruck für die Verklebung im Wickelprozess. Eine nachträgliche Verpressung über Schalungen oder Vakuumsäcke ist nicht notwendig. „In Zukunft wollen wir diese Steuerung für die Produktion von nachhaltigen Fassadenprofilen weiterentwickeln, bei der aktuell fast immer Aluminium verwendet wird, was einen großen CO2-Fußabdruck hinterlässt“, so Eversmann.

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