Teil 2: Control Suite Überwachung des gesamten Produktionsprozesses

„Maschinen in Echtzeit steuern und noch viel mehr“

Die in der HOB-Ausgabe 10/21 vorgestellte Weinig App Suite spricht alle Unternehmen aus der Holzbearbeitung an. Die Control Suite richtet sich vor allem an größere Unternehmen und insbesondere Anlagenbetreiber, die mindestens zwei Maschinen in einer Fertigungslinie betreiben. "Bei einem Schreiner mit nur einer Maschine macht sie wenig Sinn. Sie zeigt den Live-Zustand der Maschinen und spielt ihre Vorteile bei der Steuerung sowie Automatisierung einer Anlage aus", sagt Florian Fluhrer im Gespräch mit der HOB-Redaktion. Er ist Portfoliomanager Digital Solutions und zuständig für die digitalen Lösungen, wie die mobile App Suite oder die Leitrechnertechnologie Weinig Control Suite.
Bild: Weinig Vertrieb und Service GmbH & Co. KG

Was ist das Besondere an der Control Suite?

Florian Fluhrer: Für den Anlagenbetreiber ist es wichtig, den Zustand seiner Maschine zu kennen. Er möchte sie überwachen und Detaildaten sehen. Er hat von einem zentralen Ort, wie beispielsweise einem Leitstand, alles im Überblick. Die Control Suite zeigt den Live-Zustand und steuert automatisiert den Fertigungsprozess. Eine Störung kann dadurch schnell geortet und behoben werden. Sie gibt einen Überblick über alle aktuell relevanten Einstellungen, zum Beispiel wie der Vorschub eingestellt ist oder welcher Auftrag gerade bearbeitet wird und wie viel Zeit dieser noch voraussichtlich benötigt. Der Anlagenbetreiber sieht sofort, wo Änderungen angesagt sind, um ein optimales Betriebsergebnis zu erreichen.

Wie spielt die Control Suite mit einem übergeordneten ERP-System zusammen?

Fluhrer: Sie ist ein Leitrechner und ähnelt einem MES (Manufacturing Execution System), dass auf Fertigungsebene operiert. Gesteuert wird sie dabei von einem übergeordneten System aus, meist einem ERP-System (Enterprise Ressource Planning) oder MES. In den vorgelagerten Systemen laufen die normalen Geschäftsprozesse ab, es werden also Aufträge erfasst, Material eingekauft und Rechnungen erstellt sowie bezahlt.

 Die Control Suite zeigt den Live-Zustand und steuert automatisiert den Fertigungsprozess. Es werden links in der Produktionsverwaltung die einzelnen Werkstücke eines Auftrages mit ihrem Fertigungsfortschritt aufgeführt und es können beispielsweise Nachfertigungen im Fehlerfall angestoßen werden. Rechts zeigt die Anlagenvisualisierung im 3D-Layout den Status der gesamten Anlage.
Die Control Suite zeigt den Live-Zustand und steuert automatisiert den Fertigungsprozess. Es werden in der Produktionsverwaltung die einzelnen Werkstücke eines Auftrages mit ihrem Fertigungsfortschritt aufgeführt und es können beispielsweise Nachfertigungen im Fehlerfall angestoßen werden. – Bild: Weinig Vertrieb und Service GmbH & Co. KG

Was macht dabei die Control Suite?

Fluhrer: Bei der Control Suite geht es um die optimale Produktion. Es werden die Auftragsdaten importiert, und dafür gesorgt, dass möglichst effizient, automatisiert, vernetzt und zu den kostengünstigsten Bedingungen produziert wird.

Wir sprechen in diesem Konzept gerne vom Dirigenten und Notenwart einer gesamten Anlage. In einem Orchester gibt es verschiedene Musikinstrumente: Violine, Tuba, Trommel, Flöte, deren Einsatz vom Dirigenten punktgenau koordiniert wird. In der Anlage ist das ähnlich. Dort gibt es zum Beispiel eine Hobelmaschine, dann vielleicht den Scanner, eine Säge und danach eine Fenstermaschine. In solch einem abgestimmten Prozess muss jede Maschine zu unterschiedlichen Zeitpunkten etwas herstellen. Genau diese Koordination macht die Control Suite und versorgt gleichzeitig genau zum richtigen Zeitpunkt die Maschinen mit den benötigten Daten über das zu bearbeitende Werkstück. Bei steigender Anzahl dieser Maschinen und sinkender Losgröße – angesichts der Digitalisierung bis hin zu Losgröße 1 – ist dieser Prozess ohne eine solche Lösung nicht mehr möglich. Die Maschinen könnten sonst nicht mehr effizient arbeiten.

Das heißt, ohne solch eine Software müsste man alles manuell einrichten?

Fluhrer: Richtig – an jeder Maschine der Linie oder Anlage müsste ein Bediener stehen. Aufgrund der räumlichen Distanz fiele das koordinierte Miteinander-Arbeiten schwer. Jeder würde separat die Werte an seiner Maschine einstellen und Abmessungen vornehmen. Unvermeidlich würden Dimensionen unterschiedlich ausfallen, was viele Fehlerquellen eröffnet.

Die Software vereinfacht koordiniertes Arbeiten, reduziert Fehlerquellen und macht alles sicherer. Ihr unterlaufen solche Fehler nicht. Mit der Control Suite lässt sich die Anlage automatisch zentral steuern. Dadurch hat der Anwender alles im Überblick, beherrscht den Fertigungsprozess, und die Werkstücke laufen optimal durch die Anlage. Die vollständige Datenerfassung ermöglicht Auswertungen auch in Kombination mit der App Suite pro Schicht, Tag, Woche bzw. für jeden individuell einstellbaren Zeitraum.

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Anlagenvisualisierung im 3D-Layout mit Status der gesamten Anlage.Bild: Weinig Vertrieb und Service GmbH & Co. KG

Was sind hier die jeweiligen Funktionen der App beziehungsweise der Control Suite?

Fluhrer: Die Control Suite ist für die Steuerung und Automatisierung zuständig. Die App Suite fungiert als Unterstützungs-, Analyse- und Monitoring Werkzeug. Beide harmonieren zusammen bestens und erzielen so maximale Vorteile für den Benutzer. Ein Beispiel: Treten Fehler auf, erscheint in der Anlagenvisualisierung über der entsprechenden Maschine eine rote Ampel in der Control Suite. Gleichzeitig wird automatisch eine Benachrichtigung auf das Handy des Fertigungsleiters und Bedieners von der App Suite gesendet. Über die Control Suite sieht der Mitarbeiter am Leitstand auch an seinem Monitor, was los ist und kann entsprechend reagieren. Je größer die Anlage, um so entscheidender werden die Vorteile und umso besser kommt der Nutzen der Control und App Suite zum Tragen.

Wandern damit Tätigkeiten von der Maschine ins Büro?

Fluhrer: Wir erkennen den Trend, dass zum Beispiel Tätigkeiten der Arbeitsvorbereitung und Überwachung, die vorher direkt an der Maschine erfolgten, ins Büro hin zu einer Softwarelösung verlagert werden. Der Fachkräftemangel lässt derzeit auch keine andere maschinennahe Lösung zu. Die Software hilft den Kunden aus diesem Dilemma und als netten Nebeneffekt gewinnt der Maschinenbediener mehr Flexibilität.

Schildern Sie ein wichtiges Feature der Control Suite.

Fluhrer: Ein wichtiges Feature ist die Teile- und Chargenverfolgung. Wenn die Anlage bereits gestartet wurde und die Teile durchlaufen, hat der Anwender jederzeit die Möglichkeit einzelne Werkstücke zu lokalisieren. Das ist interessant, wenn mit Losgröße 1 oder mit Chargen in einer bestimmten Größenordnung gefertigt wird. Denn dort muss verfolgt werden, wo sich wie viele Teile in der Anlage befinden. Auch das Fehlerhandling wird auf diesem Wege vereinfacht. Holz ist ein natürlicher Rohstoff, der höchst unterschiedlich ausfallen kann, und ein Astloch kann brechen. Dieses Tool erlaubt bei Qualitätsschwankungen solche Stücke gleich auszuschleusen, ohne den Fertigungsprozess anzuhalten.

Sind in der Control Suite Module hinterlegt?

 Auftragsverwaltung ist ein Herzstücke der Control Suite. Damit werden Auftragsdaten - in der Regel über ein ERP-System - im- und exportiert sowie digital die jeweiligen Fertigungsfortschritte verfolgt.
Auftragsverwaltung ist ein Herzstücke der Control Suite. Damit werden Auftragsdaten – in der Regel über ein ERP-System – im- und exportiert sowie digital die jeweiligen Fertigungsfortschritte verfolgt.Bild: Weinig Vertrieb und Service GmbH & Co. KG

Fluhrer: Bei der Control Suite haben wir standardisierte Module, wie sie der Kunde jeweils braucht: Anlagenvisualisierung, Auftragsverwaltung, Fertigungssteuerung, Wartungsmeldungen oder Teile-/Chargenverwaltung, um einige Beispiele zu nennen. Aber eine Anlage ist immer etwas Individuelles, ebenso die Software. So kann der Kunde seine eigene Control Suite aus verschiedenen Modulen zusammenstellen.

„Teile-/Chargenverwaltung“ ist ein Modul, um Teile zu verfolgen und Fehler zu beheben. Das ist bei kleinen Losgrößen ein unverzichtbarer Service. Ein Anlagenbetreiber, der seine Teile in Massenproduktion herstellt oder ohne Chargen, braucht das nicht. So kann er dieses Modul weglassen.

Welche Funktionen und Anwendungsgebiete haben die anderen Module?

Fluhrer: Das Modul „Anlagenvisualisierung“, beinhaltet die Live-Zustände wie etwa das aktuelle Werkstück oder den Vorschub zu sehen und kann praktisch als digitaler Zwilling die Linie überwachen. „Auftragsverwaltung“ und „Fertigungssteuerung“ sind die Herzstücke der Control Suite. Damit werden Auftragsdaten – in der Regel über ein ERP-System – im- und exportiert sowie digital die jeweiligen Fertigungsfortschritte verfolgt. Aufträge können dort geprüft und freigegeben werden. Das schließt ein, dass in laufende Aufträge eingegriffen werden kann. Auch neue Aufträge können angelegt werden. Man sieht bei einem Auftrag von angenommen 500 Teilen zum Beispiel auf einen Blick, dass 210 Werkstücke bereits durchgelaufen sind und noch eine Zeit von etwa 2 Stunden benötigt wird, um den Rest herzustellen.

Das Modul „Wartungsmeldungen“ funktioniert als eine Art digitales Wartungshandbuch, welches hilft, Ersatzteile und Wartungstermine im Überblick zu behalten.

Sie haben als Herzstück auch Fertigungssteuerung erwähnt, was bedeutet das konkret?

Fluhrer: Das Modul „Fertigungssteuerung“ beinhaltet die eigentliche Automatisierung und Steuerung der Maschinen. Damit wird der optimale Teilefluss durch die Anlage ermöglicht und so der Fertigungsprozess gesteuert. Wir generieren Daten pro Werkstück und Bearbeitungsstation. Umgekehrt liefern wir auch Daten an die Maschinen, damit diese genau wissen, wie sie das jeweilige Werkstück bearbeiten sollen. Die Datenübertragung erfolgt in Echtzeit.

Interessant ist auch die „Produktverwaltung“. Hier lassen sich Parameter, wie Holzarten, Profile und Qualitäten festlegen, um je nach Holzart und Beschaffenheit produzieren zu können. Eine dünne Latte aus weichem Holz, wie einer Fichte, kann mit viel höherer Geschwindigkeit durch die Maschine laufen als ein breites, hartes Holz. Dort müsste der Vorschub entsprechend reduziert werden. Damit der Maschinenbediener bei einem Wechsel nicht manuell eingreifen muss, kann in der Software die Holzart festgelegt werden, z.B. hart und breit. Einmalig wird eine Einstellung getroffen. Dann reduziert sich der Vorschub automatisch auf beispielsweise 60%, bei jedem Auftrag mit der Kombination hart und breit ganz ohne den Eingriff eines Mitarbeiters.

Apropos Daten, wie verbinden sich ERP-System und die Control Suite?

Fluhrer: Über unser Modul „Konnektivität ERP“. Dieses verschafft dem Kunden vollautomatischen Datenaustausch und einen Abgleich mit dem ERP-System. Wenn er die Aufträge in diesem ERP-System erfasst, nutzt er bis zum Verkauf des Produkts einen voll digitalisierten Prozess. Er muss keine weiteren Daten mehr erfassen. Die in der Produktion leicht zu verlierenden Laufzettel werden damit überflüssig. Alles läuft automatisch zum richtigen Zeitpunkt und an der richtigen Stelle ab. Auch Peripheriegeräte, wie Handscanner und Label-Drucker, können angeschlossen werden, um Warenein- und Warenausgangsprozesse integrieren zu können.

Was sind die Vorteile der Kombination mit der App Suite?

Fluhrer: Die Kombination mit der App Suite ist sehr komfortabel. Damit lassen sich die historischen Daten auf dem Smartphone, Tablet oder im Web-Browser des Notebooks nutzen. In Kombination mit der Anlagenvisualisierung der Control Suite ist das sinnvoll und spielt die Vorteile mobiler Geräte aus, da kein Mitarbeiter ständig vor dem Bildschirm sitzen muss für die Überwachung, sondern eine Push-Benachrichtigung auf das Smartphone gesendet wird.

Wie funktioniert die Anbindung der Maschinen?

Fluhrer: Die Control Suite läuft in einem lokalen Netzwerk des Anwenders, welches von uns geplant und ausgearbeitet werden kann. Sie kommuniziert direkt und lokal mit den Maschinen. Bei der App Suite wird auf eine Clouddatenbank zugegriffen, da sie eine mobile Anwendung ist. Der Kunde muss nur für eine stabile Internetverbindung an den Maschinen sorgen und sich in der App Suite registrieren. Nachdem dies erfolgt ist und er unser viaCockpit angefragt hat, übernimmt alles Weitere der Weinig-Service für Ihn. Die App Suite ruft dann auf der Cloud die angeforderten Daten der Maschine ab und bereitet diese auf.

Harmonie – Weinig App Suite und Control Suite

„Beide ergänzen sich perfekt“

Bei der App Suite handelt es sich um eine mobile Cloud-Anwendung, die übers Internet benutzt wird. Sie ist ein Tool, um sich täglich durch Benachrichtigungen, Analysen und Auswertungen zu verbessern. Aber sie steuert keine Maschinen. Zur Steuerung der Maschinen ist die Control Suite zuständig. „Wir haben die Daten in der Control Suite in Echtzeit für die Steuerung, während bei der App Suite eine minimale Zeitverzögerung durch die Latenz des Internets entsteht“, erklärt Florian Fluhrer. Um diese minimale Zeitverzögerung auszuschließen, läuft die Control Suite lokal – ohne Internet. Historische Daten sollten in der App Suite betrachtet werden. Fluhrer: „In der Praxis hat derjenige, der mit der Control Suite arbeitet auch die App Suite. Beide ergänzen sich perfekt.“

Weinig Vertrieb und Service GmbH & Co. KG

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