Interview mit Michael Mohr

Das bewegte Holz

Jede Branche hat ihre eigenen Anforderungen an die Vakuumtechnik. Michael Mohr, Leiter Vertrieb bei J. Schmalz, erklärt, welche das sind und wie sein Unternehmen auf die aktuellen Trends - auch im Bereich der Holzverarbeitung - reagiert.
Michael Mohr verantwortet seit September 2020 den weltweiten Vertrieb in der Schmalz Gruppe.
Michael Mohr verantwortet seit September 2020 den weltweiten Vertrieb in der Schmalz Gruppe.Bild: J. Schmalz GmbH

Herr Mohr, Sie verantworten jetzt seit gut neun Monaten den Vertrieb bei Schmalz. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, vor denen Ihr Team aktuell steht – unabhängig von Corona?

Michael Mohr: Erfolg ist mittlerweile eine Zeitfrage: In jeder Branche kommen Neuheiten immer schneller auf den Markt, die Zahl der Varianten nimmt ebenfalls zu. Damit verändern sich die Handhabungsaufgaben, z.B. durch verschiedene Oberflächenstrukturen, Geometrien oder Materialien. Die Herausforderungen beim Holzhandling liegt in den inhomogenen Eigenschaften des Materials und seinen vielfältigen Verarbeitungsstufen. Wir treffen gleichermaßen auf schwere, unhandliche Bretter wie auch auf fertige Möbelplatten mit Aussparungen und variierenden Konturen. Wir bieten passende Lösungen, sowohl für die manuelle als auch die automatisierte Handhabung mit Robotern. Die Herausforderung dabei: Wir müssen die Prozesse beim Kunden so gut begreifen, dass wir zukünftige Anforderung vorhersehen und diese damit frühzeitig angehen können. Schließlich wollen wir unsere Kunden dabei unterstützen, wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir verlassen hier die Rolle des reinen Lieferanten und werden für unsere Kunden zum zuverlässigen und langfristigen Partner auf Augenhöhe.

Das klingt nach einem Paradigmenwechsel. Wie bemerkt der Kunde diesen Wandel?

Mohr: Der Wechsel hat schon längst stattgefunden und war sicher für uns markanter als für den Anwender. Es geht nicht mehr darum, was eine Komponente oder ein System kann, sondern wie sich damit eine Aufgabe effizient lösen lässt. Nimmt heute der Kunde mit uns Kontakt auf, gehen wir sofort lösungsorientiert an die Arbeit. Wir fokussieren uns auf seinen Prozess. Nur so können wir diesen verstehen und optimieren. Der Kunde soll uns als kompetenten Berater in der Vakuumtechnik wahrnehmen. Wir bieten ihm für seine Aufgabe die beste Lösung an, egal ob diese aus einzelnen Komponenten oder einem Komplettsystem besteht.

 Greifer-Baukasten PXT: Modulares System für verschiedenster Handling-Prozesse mit Leichtbaurobotern
Greifer-Baukasten PXT: Modulares System für verschiedenster Handling-Prozesse mit LeichtbauroboternBild: J. Schmalz GmbH

Welchen Nutzen bietet der ‚Alles aus einer Hand‘-Ansatz für den Kunden?

Mohr: Am Anfang eines Projekts ist es oft noch unklar, wie die angefragte Handhabungsaufgabe genau gelöst wird. Wir bieten vom Ein-mm-Sauggreifer für die Elektronikanwendung über komplette Vakuum-Saugspinnen für Holzbalken bis hin zum manuellen Vakuum-Handhabungssystem inklusive Krananlage für die Rotorblattfertigung alles an. Dank additiver Fertigungstechnologie und unserem Baukastensystem liefern wir auf den Kunden zugeschnittene und zugleich flexible Lösungen in kurzer Zeit. Er erhält alles aus einer Hand und hat so mit uns nur noch einen Ansprechpartner. Dieser Ansatz funktioniert, weil unsere Systemberater von der automatisierten Anwendung bis zur manuellen Handhabung die passende Lösung parat haben. Dabei kann es sich am Ende um einen Roboter-Greifer oder um einen Vakuum-Schlauchheber Jumbo handeln.

 End-of-Arm-Ecosystem Match von Schmalz und Zimmer Group.
End-of-Arm-Ecosystem Match von Schmalz und Zimmer Group.Bild: J. Schmalz GmbH

Welche Handling-Aufgaben ergeben sich konkret beim Holz?

Mohr: Holz ist äußerst vielseitig und verlangt je nach Bearbeitungsschritt unterschiedliche Handhabungslösungen. Ein Beispiel ist die Fertighausbranche, die immer mehr Marktanteile erobert. Hier fällt das automatisierte Handling langer Holzbretter und Plattenwerkstoffe wie MDF ebenso an wie die manuelle Handhabung von fertigen Wandkomponenten oder Fenstern. Dabei kommen auch Spezialprodukte zum Einsatz: Mit unserem Nadelgreifer können Anwender die für den Fertighausbau typischen Holzweichfaserplatten ergonomisch und sicher heben und bewegen. Allgemein gilt, dass Flexibilität und eine gewisse Schmutztoleranz beim Handling in der Holzbearbeitung Pflicht sind. Anwender wollen die Greifsysteme variabel auf unterschiedliche Formate oder Oberflächen anpassen können und erwarten einen zuverlässigen Betrieb auch in sägestaubiger Umgebung.

Inwieweit haben sich die Trends in den Industriebranchen in den vergangenen Jahren geändert? Was fordern die Anwender jetzt verstärkt? Wie wirkt sich das auf das Handhaben von Holzteilen aus?

Mohr: Die großen Trends – Digitalisierung, Vernetzung, smarte Fabriken – sind unverändert. Neue Forderungen entstehen durch andere Möglichkeiten und Richtlinien in der Fertigung und das eben erwähnte veränderte Beziehungsverhältnis zwischen dem Kunden und uns: Er erwartet einen Gesprächspartner auf Augenhöhe. Unsere Vertriebsmitarbeiter haben fundierte Kenntnisse über seine Prozesse, Aufgaben und Herausforderungen. Dazu zählen neben der Technologie neue Auflagen, z.B. für den Arbeitsschutz. Werkstücke, die eine Person früher noch alleine heben durften, müssen heute entweder von zwei Mitarbeitern oder mit einer Hebehilfe bewegt werden. Diese Vorgabe hat z.B. die Entwicklung des kleinen Vakuum-Schlauchhebers JumboFlex vorangetrieben. Dazu kommt: Seit Industrie 4.0 erwarten Anwender Komponenten und Systeme, die sie einfach in ihre digitale Fertigungsumgebung integrieren können. IO-Link- und NFC-Schnittstellen finden sie bei uns daher in nahezu jeder Produktgruppe der Vakuum-Automation – natürlich auch beim Holzhandling. Für die manuelle Hebetechnik beschreiten wir erste digitale Wege mit der digitalen Produktakte. Über Identifikations-Tags an Vakuumhebern und Kransystemen kann der Holzverarbeiter gerätespezifische Informationen sowie relevante Service- und Kontaktdaten direkt mit seinem Smartphone abrufen. Hier geht es um eine sinnvolle Nutzung moderner Medien im analogen Handhabungsalltag. Über all dem schwebt das Thema ‚Internationalisierung‘. Unsere Kunden wollen die Vakuum-Lösungen in all ihren weltweiten Produktionsstandorten einsetzen können.

 Mobiles Vakuum für Cobots: Elektrischer Vakuum-Erzeuger ECBPMi
Mobiles Vakuum für Cobots: Elektrischer Vakuum-Erzeuger ECBPMiBild: J. Schmalz GmbH

Haben sich durch die dynamische Entwicklung der Märkte weitere Themen für die Handhabung mit Vakuum ergeben?

Mohr: Ursache für die Dynamik am Markt ist unter anderem die Digitalisierung. Sie verbessert die Fertigungsmethoden, beschleunigt den Innovationsprozess und bringt neue Produkte und Dienstleistungen hervor. Das merken wir auch bei den Nachfragen unserer Kunden: Roboter können schnell und einfach angelernt werden, entsprechend intuitiv muss auch die Implementierung und Inbetriebnahme unserer Greifer sein. Oder: Je schnelllebiger und variantenreicher die Produktwelt ist, desto flexibler müssen unsere Sauggreifer werden. Hierbei geht es vor allem darum, die Automatisierung zu ermöglichen. Ein weiteres Beispiel ist die Elektromobilität: Die Politik treibt die Batterieherstellung in Deutschland weiter voran. Wir bieten dafür Lösungen entlang der gesamten Prozesskette, ob einzelne Komponenten wie Elektroden oder Pouches gehandhabt oder Module in Fahrzeuge gesetzt werden müssen. Die dynamische Entwicklung fordert auch eine effizientere Distributionslogistik, damit die Ware schnell beim Endkunden ist. In Kombination mit dem wachsenden Online-Handel bemerken wir eine höhere Nachfrage in der manuellen Handhabungstechnik. Hauptthemen sind hier Ergonomie, Flexibilität und einfache Bedienbarkeit. So können Kommissionierer mit dem Multigreifer verschiedene Kartongrößen und -qualitäten handhaben, ohne den Greifer wechseln zu müssen.

Worauf kommt es den Kunden bei der Handhabung mit Vakuum an?

Mohr: Prozesssicherheit und Stabilität werden von allen gefordert. Hinzu kommen je nach Branche individuelle Anforderungen. Holz ist ein Naturprodukt. Astlöcher, Risse und verwundenes Material mit rauer Oberfläche erfordern ein zuverlässiges Greifsystem – auch wenn die Werkstücke verschmutzt, nass oder harzig sind. Hersteller von Leiterplatten brauchen Sauger, die eventuell am Werkstück anliegende Spannungen kontrollieren und schadensfrei ableiten. Die Pharmaindustrie etwa fragt nach verschleißfesten Lösungen, die reinraumtauglich sind. Logistiker achten besonders auf eine ergonomische und unkomplizierte Anwendung. Mit Blick auf die Lebensmittelindustrie kommen neue Hygieneanforderungen auf uns zu: Die Vakuum-Sauggreifer sind aus lebensmitteltauglichen Materialien aufzubauen und nach den Hygienic-Design-Kriterien absolut reinigungsfreundlich zu gestalten. Sauger und Greifer für komplexe, hochempfindliche Werkstücke wie Batteriekomponenten oder Brennstoffzellen müssen mehrfach Schutz bieten, Abdrücke, Rückstände oder elektrostatische Entladungen sind auszuschließen. Das beachten wir natürlich bei der Zusammenstellung neuer Materialien oder Greifkonzepte.

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