Cobot-Einsatz vereinfachen

„Simulation muss zur Pflicht werden“

Cobots bieten auch in der Holzbearbeitung unzählige Möglichkeiten, die Kollaboration zwischen Mensch und Maschine zu optimieren. Dennoch stehen die Unternehmen vor vielen Hürden aus gesetzlichen Vorgaben, offiziellen Prüfungen und technischen Herausforderungen. Doch das müsste nicht so sein. Katja Caspari ist Teilnehmerin im Expertennetzwerk 'Robotik für den Mittelstand' (koordiniert vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Augsburg), das als Plattform für verschiedene Unternehmen fungiert. Sie erklärt im Interview, wie durch den Einsatz von Simulationssoftware viele dieser Hürden überwunden werden und Unternehmen mithilfe von Cobots noch effizienter arbeiten könnten.
Bild: machineering GmbH & Co. KG

Wo stehen wir heute?

Caspari: Derzeit dürfen Cobots nur von geschulten Mitarbeitern bedient oder verändert (z.B. Greifer wechseln) werden. Diese Tatsache führt manches so ad absurdum, das es vorkommen kann, das ganze Maschinen stundenlang stillstehen, weil der entsprechende Mitarbeiter momentan nicht verfügbar ist und kein anderer auf ein Knöpfchen drücken darf. Das führt zu hohen Kosten und gerade der Mittelstand verliert die Lust, solche Technologien unter diesen Voraussetzungen überhaupt einzusetzen. In unserem Expertennetzwerk diskutieren wir gerade, was überhaupt eine relevante Änderung an einer Maschine ist und damit eine neue Bewertung durch den TÜV oder die Berufsgenossenschaft notwendig macht. Unternehmen brauchen einfach eine Orientierung, die derzeit noch ziemlich fehlt. Deswegen haben wir auch die Berufsgenossenschaft in die Diskussion mit eingebunden und eine Matrix entwickelt, die durch die Beantwortung von Ja/Nein-Fragen als Beurteilungsgrundlage helfen soll. Positiv ist, dass hier die Keyplayer versuchen, die Sache gemeinsam voran zu treiben. Technisch sind wir weiter als das, was wir aktuell in der Fläche einsetzen, einfach aufgrund von Haftungs- und Sicherheitsfragen.

Also wären wir technisch schon in der Lage, das Problem zu lösen?

Caspari: Ja! Durch Simulation könnten wir verschiedene Anwendungsfälle vor der Planung optimieren und viele Fehler oder auch Sicherheitsrisiken schon im Vorfeld eliminieren. Für die Betreiber sollte einfach Simulation als Standard gelten. Warum wird das nicht zur Vorschrift gemacht? Machineering ist heute schon in der Lage, Menschen als Humans, also den simulierten Menschen in die Maschinenplanungen zu integrieren. Auch das würde die Sicherheit sowohl für Mensch als auch für Maschine enorm erhöhen. Zusätzlich gibt es auch hier Weiterentwicklungen und gute Forschungsergebnisse, dass diese Simulationen in Kombination mit Kameratechnik eine sehr hohe Sicherheit ermöglichen.

Wovor haben die Unternehmen Angst?

Caspari: Eigentlich kommen die Ängste aus der Prozesssicherheit und nicht aus der Maschinensicherheit. Den Umgang und die Bewertung von Maschinenarbeitsplätzen sind sie gewohnt. Aber wie sich die Prozesse verändern, wo technisch bedingt auch Ausfallrisiken liegen, das ist Prozesssicherheit und für viele Neuland. Durch die virtuelle Inbetriebnahme lassen sich ganze Prozesse im Vorfeld durchspielen und so könnten viele Risiken ausgeschaltet oder zumindest extrem reduziert werden. Mit der realen Inbetriebnahme mit dem gleichzeitigen Einsatz des digitalen Zwillings wären alle Maschinendaten jederzeit in Echtzeit verfügbar. Leider ist dort immer noch eine sehr große Wissenslücke vorhanden, die es zügig zu schließen gilt. Die Simulation im Vorfeld ist auch immer gut, um die Mitarbeiter bestmöglich auf den Einsatz des Cobots vorzubereiten.

Warum kaufen Unternehmen überhaupt Cobots?

Caspari: Auf Messen oder auch aus Gesprächen mit Herstellern ergeben sich zwei Kaufmotive: Die erste Gruppe ist vom Schlag „Haben will“. Sie finden Cobots grundsätzlich cool, wollen Trendsetter sein und werden schon einen Bedarf im Unternehmen finden. In der zweiten Gruppe ist die Nutzwertanalyse und die Prozessanalyse die Grundlage, ob sich der Einsatz eines Cobots für das jeweilige Unternehmen lohnen würde. Dort geht es häufig um die Optimierung von Arbeitsprozessen und Ressourceneinsatz. Ein Cobot ist heutzutage ab ca. 50.000€ zu haben. Aber dies ist nur die Erstinvestition. Der Kauf eines Cobots muss als echtes Projekt gesehen werden.

Was derzeit möglich und sinnvoll ist, das sollte einfach zur Pflicht werden. Und genau hier kommt der VDMA ins Spiel, der das durchaus vorantreibt, aber die Mühlen mahlen langsam.

Was sind die nächsten Schritte im Expertennetzwerk?

Caspari: Wir haben neben dem Leitfaden ein Dokument aus unseren Diskussionen mitgeschrieben: Dabei geht es darum, welche Unsicherheiten und Regelungsbedarfe es aus unserer Sicht gibt. Das wird über den VDMA weitergegeben, die Berufsgenossenschaft Holz und Metall haben wir direkt eingebunden. Auch das Netzwerk an sich wollen wir stärken, denn wir müssen uns anstrengen, um den Anschluss als Industriestandort an andere Länder wie z.B. Südkorea nicht zu verlieren. Die sind uns ca. fünf Jahre voraus.

Simulation muss zur Pflicht werden, der digitale Zwillinge als virtuelles Pendant zur realen Maschine ebenso. Es müssen neue Standards geschaffen werden.

Als in den 80er-Jahren die Anschnallpflicht kam, ging ein Aufschrei durch die Autoindustrie. Und heutzutage sind Anschnallgurte einfach Standard und jeder nutzt sie ohne Wenn und Aber. An einem ähnlichen Punkt stehen wir heute in der Industrie. Jeder schreit auf, das Cobots in Zusammenhang mit Simulation teurer werden würden. Dies wird nicht der Fall sein. Cobots würden einfach nur sicherer werden.

Wann sind wir hier in Deutschland so weit, dass Simulation Standard bei Cobots sein wird?

Caspari: Ich befürchte, das wird noch einige Jahre dauern. Es hängen sehr viele Normengremien aber auch Ministerien daran. Die Unternehmen und auch die Politik müssen endlich die Notwendigkeit begreifen, dass wir nur durch gemeinsames Vorgehen aller Beteiligten schneller zum Ziel kommen. Ein bremsender Fakt ist auch immer das Thema Datensicherheit und Datenhoheit, aber lieber sollten wir gemeinsam als gegeneinander diesen Weg beschreiten, Lobbys aufbrechen und vorhandenes Know-how sammeln. Die Gesetzeslage ist derzeit noch die eigentliche Bremse, aber wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, wäre sicherlich Vieles möglich.

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