"Auch die Qualitätsprüfung wird automatisiert"

Tech-Talk zur Automatisierung bei Losgröße 1

In der Evolution des Losgröße-1-Zuschnitts macht die Homag Plattenaufteiltechnik den nächsten Schritt. Der Sägenspezialist bietet für seine Robotersägen jetzt auch eine vollautomatisierte Überwachung der Schnittqualität an. MSQ heißt die neue Technologie - sprich: Messsystem Schnittqualität. Über diese Innovation und den praktischen Nutzen, den sie bringt, hat die HOB Redaktion mit den beiden Homag Experten Jörg Hamburger, Leiter Produktmanagement, und Sven Wirth, Leiter Entwicklung, gesprochen. Ein Interview.
 Sven Wirth (li.), Leiter Entwicklung in der Homag Business Unit Panel Dividing, und Jörg Hamburger (re.), Leiter Produktmanagement in der Homag Business Unit Panel Dividing.
Sven Wirth (li.), Leiter Entwicklung in der Homag Business Unit Panel Dividing, und Jörg Hamburger (re.), Leiter Produktmanagement in der Homag Business Unit Panel Dividing.Bild: Homag GmbH

Was unterscheidet Homag Robotersägen von klassischen Einzelsägen?

Jörg Hamburger: Homag Robotersägen wie die Sawteq B-320 flexTec schneiden Einzelplatten vollautomatisch zu, sprich, es ist über große Zeiträume gar keine Anwesenheit eines Maschinenbedieners notwendig. Ein großer Vorteil in Zeiten des wachsenden Fachkräftemangels. Vorwiegendes Einsatzgebiet ist die Losgröße-1-Fertigung – beispielsweise in der Küchenproduktion oder im Innenausbau. In diesen Sparten sieht jeder Auftrag anders aus, da kommt ein Paketschnitt nicht infrage. Um dennoch maximale Effizienz in der Fertigung zu ermöglichen, haben wir Robotersägen wie die Sawteq B-320 flexTec entwickelt.

Mit der Sawteq B-300 und B-400 flexTec bieten wir zudem zwei Hybrid-Modelle. Diese beherrschen den mannlosen Zuschnitt in Losgröße 1, lassen sich aber jederzeit auch manuell und so vielseitig wie herkömmliche Einzelsägen nutzen – etwa für Gehrungs- oder Paketschnitte.

Die Sawteq B-320 ist in zahlreichen Ausführungen erhältlich, warum?

Hamburger: Weil Flexibilität entscheidend für unsere Kunden ist. Deshalb haben wir die Sawteq B-320 flexTec so konstruiert, dass sie sich sehr leicht an die jeweiligen Anforderungen anpassen lässt – und das konfigurierbar aus den Standardkomponenten. Der Aufbau ist komplett individualisierbar, es gibt zig Aufstellmöglichkeiten – mit Variablen etwa im Hinblick auf die Beschickung, das Output-Volumen oder den Austransport der zugeschnittenen Teile. Dieser kann manuell oder automatisch erfolgen, mit anschließender Stapelbildung auf Paletten oder einzeln. Auch der Materialfluss selbst lässt sich für die Gegebenheiten vor Ort optimieren. So finden wir noch in der vollsten Halle fast immer einen geeigneten Aufstellort für die Maschine.

Apropos Output: Wie viele Teile pro Schicht sind mit der Sawteq B-320 möglich?

Hamburger: Bei idealen Produktionsbedingungen und 100% technischer Verfügbarkeit sind bis zu 3.000 Teile pro Schicht drin. Dies können wir mit unserer Simulation nachweisen. Eine unserer Stärken sind vollautomatisierte Nachschnitte ohne Grenzen. Dafür hebt der Roboter Teile nach dem ersten Zuschnitt an, positioniert sie neu an der Schnittlinie oder puffert sie zwischen. Dahinter steckt ein von uns patentiertes Umlaufkonzept. Es erlaubt Nachschnitte in mehreren Ebenen und macht den gesamten Prozess hochflexibel.

Sie sprachen von Simulation, was genau verbirgt sich dahinter?

 Auf die klassische Art: Die Homag Experten prüfen die Schnittqualität - während für den Homag Treff im Hintergrund schon eine Sawteq B-320 flexTec mit MSQ aufgebaut wird.
Auf die klassische Art: Die Homag Experten prüfen die Schnittqualität – während für den Homag Treff im Hintergrund schon eine Sawteq B-320 flexTec mit MSQ aufgebaut wird.Bild: Homag GmbH

Hamburger: Je individueller und komplexer eine Maschine ist, desto präziser muss sie auf die Realität beim Kunden vor Ort abgestimmt sein. Mit der Homag Simulation erreichen wir genau dies. Damit bilden wir 1 zu 1 die Produktion des Kunden ab: sowohl im Hinblick auf die Maschinentechnik und Konfiguration als auch im Hinblick auf den Materialfluss und die Produktionsabläufe insgesamt. So stellen wir virtuell und schon im Vorfeld sicher, dass der Kunde mit der individuell konfigurierten Maschine später auch genau die Leistung abrufen kann, die er benötigt.

Simuliert Homag nur den Zuschnitt-Prozess?

Hamburger: Nein! Die Homag Simulation liefert alle Informationen, die wir für eine optimierte Maschinenkonfiguration und fließende Fertigungsprozesse benötigen. Wir können sowohl mit isolierten Ein- und Ausgangsparametern arbeiten – etwa um den In- und Output einer Säge zu simulieren – als auch den kompletten Fertigungsprozess abbilden: inklusive aller vor- und nachgelagerten Maschinen, Transportwege und Pufferstationen.

Was bringt es, mehrere Robotersägen miteinander zu verketten?

Hamburger: Durch das Verketten können wir das Leistungsvermögen im Zuschnitt nahezu grenzenlos skalieren. Wir sind jederzeit in der Lage, zwei, drei oder mehr Maschinen zu einer vollintegrierten und etwa im Hinblick auf die Steuerung, Energieeffizienz und Abfallentsorgung präzise abgestimmten Zelle zu verketten. Noch ein Vorteil: Kunden legen ihren Zuschnitt damit komplett redundant aus. Muss eine der verketteten Robotersägen mal gewartet, gereinigt oder in seltenen Fällen repariert werden, steht mindestens eine weitere Robotersäge zur Verfügung. Die Produktion läuft weiter.

 Sawteq B-320 flexTec mit Flächenlager und automatischem Auslauf.
Sawteq B-320 flexTec mit Flächenlager und automatischem Auslauf.Bild: Homag GmbH

Mit einer neuen Technologie namens MSQ kündigt Homag in der Automatisierung nun den nächsten Evolutionsschritt an. Worum geht es dabei?

Sven Wirth: MSQ steht für Messsystem Schnittqualität. Die Technologie überprüft vollautomatisch das, was der Schreiner sonst per Sichtprüfung ermittelt und indem er mit dem Finger über eine Schnittkante fährt: die Qualität des Zuschnitts. Wie das funktioniert? Der Roboter der Sawteq B-320 flexTec – auf dieser Maschine wird das neue MSQ-System bei der Homag Hausmesse im Herbst erstmals zu sehen sein – entnimmt regelmäßig fertig zugeschnittene Teile und legt sie in das MSQ-System ein. Dort wird die Schnittqualität optisch aufgenommen und mit Hilfe von künstlicher Intelligenz bewertet. Sobald die ermittelten Qualitätsparameter einen zuvor definierten Grenzwert überschreiten, gibt das System eine Warnung an den Bediener aus und empfiehlt beispielsweise einen Sägeblattwechsel.

Welchen Nutzen bringt das neue MSQ-System?

Wirth: Mit dem MSQ bringen wir den Zuschnitt und die Qualitätsprüfung wieder auf ein und dasselbe Automatisierungsniveau. Dadurch können Anwender das Potenzial künftig voll ausreizen, denn die mannlose Fertigung ist nur ein Vorteil, wenn die Qualität stimmt. Um das sicherzustellen, haben Anwender bisher entweder Erfahrungswerte genutzt und nach einer definierten Anzahl von Schnittmetern das Sägeblatt vorsorglich getauscht oder sie haben den Prozess in regelmäßigen Abständen gestoppt und die Schnittqualität manuell überprüft. Ideal war beides nicht. Dies optimieren wir nun mit dem MSQ. Das System beurteilt das Schnittergebnis regelmäßig und objektiv im laufenden Prozess. So werden Ausschussteile vermieden und die Prozesssicherheit massiv erhöht. Zudem können Kunden sich damit systematisch an das Qualitätsoptimum herantasten, indem sie den MSQ-Algorithmus mit den ermittelten Qualitätsparametern füttern und die Grenzwerte immer feiner justieren.

Welches Feedback bekommen Sie von Kunden, die das System schon getestet haben?

Wirth: Nach anfänglicher Skepsis ist das Vertrauen heute groß. Das MSQ-System läuft seit zwei Jahren in Feldtests, seit einem Jahr bieten wir es für die Homag Sawteq B-300 und B-400 flexTec an. Die Anwender verlassen sich auf das System. Aus guten Gründen: Denn das MSQ erkennt Qualitätsprobleme, sobald sie entstehen – nicht erst am Ende eines Fertigungslaufs. Insbesondere bei Anlagen in verketteten Produktionslinien ist dies ein enormer Vorteil, denn hier können Mängel bei der Schnittqualität schnell zu großen Ausschussmengen führen. Das MSQ verhindert dies zuverlässig.

Für die Robotersägen aus der ­Typenreihe Sawteq gibt es zahlreiche Aufstellmöglichkeiten. – Bild: Homag GmbH

Unterscheidet sich das MSQ der Sawteq B-300 flexTec von dem, das Homag nun neu für die Sawteq B-320 flexTec anbietet?

Wirth: Die Technologie ist die gleiche. Es handelt sich um identische Systeme, mit denen wir inzwischen viel Erfahrung haben. Lediglich bei der Integration gibt es Unterschiede. Diese sind den jeweiligen Prozessabläufen geschuldet. Wir haben das MSQ in beiden Fällen so integriert, dass die Überprüfung der Schnittqualität zu nahezu keinen Leistungseinbußen führt. Dadurch können zum Beispiel auch Geisterschichten zuverlässig durchgeführt werden.

Was verstehen Sie unter einer Geisterschicht?

Wirth: Geisterschichten gehören zu den besonderen Stärken unserer Robotersägen. Die Bezeichnung ist jedoch irreführend, denn in einer Geisterschicht sind keine Geister am Werk, sondern der Roboter und die Säge. Das Prinzip: Der zuständige Maschinenbediener startet kurz vor Feierabend noch einen neuen Programmlauf. Die Säge produziert dann selbständig bis in die Nacht hinein – je nach Schnittplan und vorhandenem Abstapelplatz zwei, drei Stunden oder auch länger.

Ist das MSQ ausschließlich für neue Homag Robotermaschinen erhältlich?

Wirth: Keineswegs, denn wir haben die Nachrüstbarkeit schon bei der Entwicklung des neuen Systems im Blick gehabt und es entsprechend modular umgesetzt. Bei einer installierten Basis von weltweit knapp 200 Robotersägen sehen wir es als unsere Pflicht an, das innovative System künftig allen Kunden anbieten zu können. Das ist uns gelungen – auch deshalb, weil wir über ein starkes Entwicklungsteam verfügen, das die nötigen Kompetenzen dafür mitbringt und von der Konstruktion über die Prozessplanung, Elektrik und Mechatronik bis hin zur Algorithmus-Programmierung sämtliche Disziplinen unter einem Dach bündelt. Das ist schon ein Alleinstellungsmerkmal.

Bleibt noch die Frage nach dem Ausblick: Welche Pläne hat Homag für die weitere Entwicklung?

Wirth: Automatisierung, Digitalisierung und Qualität werden weiterhin im Fokus unserer Entwicklung stehen. Ziel ist es, immer noch mehr Intelligenz in die Maschinen zu bringen – zum Beispiel durch innovative Assistenzsysteme – und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Kunden kontinuierlich zu steigern. So viel kann ich sagen, wer mehr erfahren möchte, darf schon jetzt gespannt auf die LIGNA 2023 sein!

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