Lager, Säge, Teilehandling

„Erst die Details machen das Ganze perfekt“

Wer sich als holzbearbeitender Betrieb in der Möbelfertigung behaupten will, braucht schnell und reibungslos fließende Prozesse. Am besten schon am Anfang der Wertschöpfungskette: im Flächenlager und im Zuschnitt. Wie dies gelingt, worauf es ankommt und was die Zukunft bringen wird, sagen die Homag-Experten Jörg Hamburger und Torsten Seid im Interview.
 Jörg Hamburger (rechts) und Torsten Seid (links). Beide arbeiten bei Homag als Product Manager Panel Dividing.
Jörg Hamburger (rechts) und Torsten Seid (links). Beide arbeiten bei Homag als Product Manager Panel Dividing.Bild: Homag Plattenaufteiltechnik GmbH

Ob groß oder klein: Möbelfertiger streben nach effizienten Prozessen und reibungslosem Materialfluss. War das schon immer so?

Torsten Seid (Homag Product Manager Panel Dividing): Nein, die Möbelproduktion hat sich grundlegend verändert. Noch vor 30 Jahren gab es in den Werkstätten klassische Schreinerbänke. An jeder stand ein Mitarbeiter und fertigte ein Möbelstück. Irgendwann wurde dann mehr und mehr in leistungsfähigere Maschinen investiert: Der Mitarbeiter ging nun mitsamt Auftrag von einer Maschine zur nächsten. Mit dem Aufkommen ganzer Bearbeitungszellen erforderten die Maschinen jedoch mehr Knowhow, sodass für jede Zelle spezialisierte Bediener eingesetzt wurden. Diese erledigten dann etwa den Zuschnitt und reichten die fertigen Teile an die nächste Bearbeitungszelle weiter. Seitdem werden die Abläufe für einen schnellen Materialfluss optimiert.

Heute sind wir noch einen Schritt weiter und unterstützen die Prozesse durchgehend. Dafür verheiraten wir den Materialfluss mit einem Datenfluss, sodass jedes Teil vom Lager bis zum fertigen Möbel mit Informationen über die jeweils nächsten Schritte versehen ist. Der Vorteil: Jedes Teil informiert die Maschine und den Mitarbeiter darüber, was mit ihm geschehen soll. Dies vermeidet Fehler und reduziert teure Nebenzeiten. Übrigens ist auch die Auswertung dieser Daten, z.B. im Lager durch den WoodStore Analyzer, eine wertvolle Quelle für die Optimierung von Abläufen oder Materialbeständen.

Was ist mit Nebenzeiten gemeint und wodurch werden diese reduziert?

Jörg Hamburger (Homag Product Manager Panel Dividing): Bei Säge-Lager-Kombinationen bezeichnen wir als Nebenzeiten alle Aktivitäten, die nicht zum Kernprozess des Plattenaufteilens gehören. Darunter fallen z.B. die Sortierarbeiten beim Abstapeln. Wenn der Bediener jedes Mal nachsehen muss, welches Teil er für die Weiterbearbeitung wie auf welche Palette legen soll, dann kostet das Unmengen Zeit und bremst die Säge aus. Vermeiden lässt sich dies mit unserem Abstapelmodul Lite. Es zeigt genau an, welches Teil wohin kommt. Sortier-Nebenzeiten entfallen, der Arbeitsaufwand sinkt, Tempo und Wettbewerbsfähigkeit steigen. In Verbindung mit unserem Assistenzsystem IntelliGuide funktioniert dies sogar noch effizienter. Sprich: Es sind nicht allein die Maschinen, es ist die Kombination aus Maschinen, Software und Zusatzausstattungen, mit denen wir den Zuschnitt immer weiter optimieren.

 Das automatische Plattenlager Homag-Storeteq S-500 lässt mehr Potenzial für Bearbeitungsmaschinen. Die Kombination mit den Maschinen und vielen Plattenvarianten macht dieses Lagersystem zum Alleskönnner.
Das automatische Plattenlager Homag-Storeteq S-500 lässt mehr Potenzial für Bearbeitungsmaschinen. Die Kombination mit den Maschinen und vielen Plattenvarianten macht dieses Lagersystem zum Alleskönnner. Bild: Homag Plattenaufteiltechnik GmbH

Wäre die Ideallösung im Zuschnitt dann eine Homag Komplettlösung aus Lager, Säge und möglichst vielen Handling-Extras?

Seid: Eine generelle Ideallösung gibt es nicht. Jeder Betrieb funktioniert anders. Deshalb geht es darum, für die individuellen Anforderungen die jeweils beste Lösung zu finden. Dabei beachten wir immer den Gesamtprozess, denn alles hängt mit allem zusammen. Beispiel: Möchte ein Kunde den Materialdurchsatz im Zuschnitt erhöhen, können wir diese Anforderung mithilfe unseres Power Concept erfüllen. Tun wir dies, müssen wir gleichzeitig auch die vor- und nachgelagerten Prozesse effizienter gestalten. Sprich: das Lagermanagement, die Beschickung und das Abstapeln. Es kommt immer auf den Gesamtprozess an.

Hamburger: Deshalb bieten wir in Verbindung mit der Lagertechnik, speziell in den Baureihen B-300 und B-400, einen überdurchschnittlich breiten und sehr gut gefüllten Lösungsbaukasten an. Nicht alles darin eignet sich für jeden, aber für jeden Bedarf lässt sich daraus eine Ideallösung zusammenstellen. Z.B. können wir auch mehrere Sägen an ein Flächenlager anbinden, hier unterstützt unsere Lagersoftware bei der optimalen Produktionssteuerung.

Seid: Nutzen und Bedarf hängen dabei direkt voneinander ab. Verdeutlichen lässt sich dies am Assistenzsystem IntelliGuide. Es reagiert intelligent auf Handlungen des Bedieners und führt ihn mithilfe optischer Signale durch den Zuschnitt. Damit ist z.B. ausgeschlossen, dass ein falscher Streifen oder ein falsch gedrehtes Teil der Säge zugeführt wird. Einfach gesagt: IntelliGuide unterstützt den Bediener, vermeidet Fehler und erhöht den Output pro Zeit!

Und einer der Schlüssel zur Fehlervermeidung und damit zur Reduktion von Nebenzeiten ist die Verknüpfung von Teilen und Daten?

Hamburger: Ja, durchgängige Datenintegration ist zusammen mit dem Materialfluss der wichtigste Hebel für effizientere Prozesse. Indem wir Teile und Daten miteinander verheiraten und Informationen von Bearbeitungsstation zu Bearbeitungsstation vererben, schaffen wir die Voraussetzungen für unterbrechungsfreie, immer intelligenter strukturierte Abläufe. Und diese bedeuten weniger Personalaufwand, kürzere Durchlaufzeiten, weniger Fehler, höhere Qualität, bessere Ergonomie, sinkende Materialkosten und steigende Wettbewerbsfähigkeit.

Ist auf diesem Weg das Ende schon in Sicht? Oder sehen Sie noch irgendwo größere Lücken und Optimierungsmöglichkeiten?

Seid: Wir sind in einzelnen Bereichen schon sehr weit. Z.B. bei der Lagerverwaltung und -anbindung: Homag-Lager beschicken heute vollautomatisch im Takt der Säge. Die Vakuumtraverse holt das benötigte Material aus dem Flächenlager und legt es schonend auf den hinteren Maschinentisch. Kein Mitarbeiter muss mehr schwere Platten bewegen. Und nach dem Zuschnitt werden Schnittreste automatisch ins Lager zurückgeführt oder in einem externen Handrestelager mitverwaltet. Die Lagerverwaltungssoftware WoodStore kommuniziert direkt mit der Optimierung Schnitt Profi(t), sodass alle Reste genutzt und für einen der nächsten Aufträge eingeplant werden. Das erhöht die Materialausbeute, entlastet die Mitarbeiter ergonomisch und spart kostbare Arbeitszeit – in Zeiten das Fachkräftemangels eine der wichtigsten Ressourcen.

Hamburger: Ressourcen schonen, darum geht es letztlich bei allen Homag-Entwicklungen. Wir sorgen für mehr Output mit weniger Ressourceneinsatz. Spielraum für Verbesserungen wird es immer geben. Großes Potenzial sehen wir aktuell im Bereich der künstlichen Intelligenz. Ein Ziel sind mitlernende Maschinen. Diese könnten in Zukunft z.B. aus dem Bedienerverhalten lernen und Prozesse an den Anwender anpassen. Schlüssel dazu sind einmal mehr vernetzte Daten und Software. Mit Tapio haben wir die Plattform für solche Weiterentwicklungen bereits geschaffen.

Vernetzte Fertigung, Tapio und diverse Apps: Muss sich der Schreiner zum IT-Experten für Holzbearbeitung weiterbilden?

Seid: Nein, dazu besteht kein Anlass. Digitale Homag-Produkte wie die Optimierungs-App IntelliDivide, wie MachineBoard oder ServiceBoard sind anwenderfreundlich und intuitiv bedienbar. Gleiches gilt für die Plattform Tapio, die unsere Maschinen und Apps miteinander verbindet, sie ist so einfach zu nutzen wie ein App-Store. Bei großen Vorteilen für die Anwender, Beispiel IntelliDivide: Warum sollte sich ein kleinerer Schreinerbetrieb zum Einstieg in die Schnittoptimierung eigene Rechenpower für die Optimierung im Betrieb aufbauen und viel Geld für Hardware, Wartung und Softwareaktualisierungen ausgeben, wenn er mit IntelliDivide zu sehr viel günstigeren Fixkosten eine stets aktuelle Optimierungs-App und unsere Rechenpower in der Cloud nutzen kann?

Welche Strategie verfolgt Homag bei alledem?

Hamburger: Es geht uns immer um den Gesamtprozess. Wir analysieren die Abläufe beim Kunden, um diese für die individuellen Anforderungen zu verbessern: vom Lager über die Säge, das Abstapeln und die weitere Bearbeitung bis hin zum fertigen Produkt. Im Fokus haben wir dabei alle Tätigkeiten und Zeiten, die nicht direkt der Möbelproduktion und Wertschöpfung dienen. Diese gilt es zu automatisieren und so weit wie möglich zu reduzieren. Das erhöht die Wettbewerbsfähigkeit, verbessert die Ergonomie und macht die Arbeit in der Branche auch für kommende Generationen attraktiv.

Begriffe & Erklärungen: Was ist was?

Power Concept: Separat verfahrbare Spannzange, mit der sich ­mehrere Streifen mit unterschiedlicher Queraufteilung zusammen ablängen lassen.

Schnitt Profi(t): Die Homag-Optimierungssoftware für den Zuschnitt plattenförmiger Materialien.

IntelliGuide: Bediener-Assistenzsystem, das auf Handlungen des Maschinenbedieners reagiert und ihn mithilfe optischer Signale durch den Zuschnittprozess führt.

Abstapelmodul LITE: Integrierte Assistenzgrafik, die dem Maschinenbediener zielsicher und farblich hervorgehoben den richtigen Abstapelplatz für jedes fertige Teil anzeigt.

WoodStore Lagersoftware: WoodStore ist Lagerorganisation 2.0 und verknüpft das Bestellwesen mit der Auftragsbearbeitung, verwaltet Materialreste, optimiert Materialbewegungen. 

WoodStore Analyzer: Analysiert die Lagerbewegung monats-, wochen-, tage- oder stundengenau und erstellt daraus eine Auswertung mit Handlungsempfehlungen für bessere Abläufe.

IntelliDivide: IntelliDivide Cutting ist die Optimierungs-App für den Zuschnitt auf Homag Sägen. Optimiert wahlweise auftrags-, verschnitt- oder laufzeit-orientiert.

Tapio: Tapio ist das digitale Ökosystem der Holzbranche. Die Plattform schafft die technologische Basis für cloudbasierte Anwendungen in der Produktion.

MachineBoard: Die MachineBoard App informiert Maschinenbediener mobil über den Status einer Maschine und fordert bei Bedarf manuelle Unterstützung an.

ServiceBoard: Die ServiceBoard-App überträgt aktuelle Servicefälle an der Maschine per kabelloser Videodiagnose live ins ServiceCenter.

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