Interview mit Michael Mohr

Das bewegte Holz

Jede Branche hat ihre eigenen Anforderungen an die Vakuumtechnik. Michael Mohr, Leiter Vertrieb bei J. Schmalz, erklärt, welche das sind und wie sein Unternehmen auf die aktuellen Trends - auch im Bereich der Holzverarbeitung - reagiert.
 End-of-Arm-Ecosystem Match von Schmalz und Zimmer Group.
End-of-Arm-Ecosystem Match von Schmalz und Zimmer Group.Bild: J. Schmalz GmbH

Welche Handling-Aufgaben ergeben sich konkret beim Holz?

Mohr: Holz ist äußerst vielseitig und verlangt je nach Bearbeitungsschritt unterschiedliche Handhabungslösungen. Ein Beispiel ist die Fertighausbranche, die immer mehr Marktanteile erobert. Hier fällt das automatisierte Handling langer Holzbretter und Plattenwerkstoffe wie MDF ebenso an wie die manuelle Handhabung von fertigen Wandkomponenten oder Fenstern. Dabei kommen auch Spezialprodukte zum Einsatz: Mit unserem Nadelgreifer können Anwender die für den Fertighausbau typischen Holzweichfaserplatten ergonomisch und sicher heben und bewegen. Allgemein gilt, dass Flexibilität und eine gewisse Schmutztoleranz beim Handling in der Holzbearbeitung Pflicht sind. Anwender wollen die Greifsysteme variabel auf unterschiedliche Formate oder Oberflächen anpassen können und erwarten einen zuverlässigen Betrieb auch in sägestaubiger Umgebung.

Inwieweit haben sich die Trends in den Industriebranchen in den vergangenen Jahren geändert? Was fordern die Anwender jetzt verstärkt? Wie wirkt sich das auf das Handhaben von Holzteilen aus?

Mohr: Die großen Trends – Digitalisierung, Vernetzung, smarte Fabriken – sind unverändert. Neue Forderungen entstehen durch andere Möglichkeiten und Richtlinien in der Fertigung und das eben erwähnte veränderte Beziehungsverhältnis zwischen dem Kunden und uns: Er erwartet einen Gesprächspartner auf Augenhöhe. Unsere Vertriebsmitarbeiter haben fundierte Kenntnisse über seine Prozesse, Aufgaben und Herausforderungen. Dazu zählen neben der Technologie neue Auflagen, z.B. für den Arbeitsschutz. Werkstücke, die eine Person früher noch alleine heben durften, müssen heute entweder von zwei Mitarbeitern oder mit einer Hebehilfe bewegt werden. Diese Vorgabe hat z.B. die Entwicklung des kleinen Vakuum-Schlauchhebers JumboFlex vorangetrieben. Dazu kommt: Seit Industrie 4.0 erwarten Anwender Komponenten und Systeme, die sie einfach in ihre digitale Fertigungsumgebung integrieren können. IO-Link- und NFC-Schnittstellen finden sie bei uns daher in nahezu jeder Produktgruppe der Vakuum-Automation – natürlich auch beim Holzhandling. Für die manuelle Hebetechnik beschreiten wir erste digitale Wege mit der digitalen Produktakte. Über Identifikations-Tags an Vakuumhebern und Kransystemen kann der Holzverarbeiter gerätespezifische Informationen sowie relevante Service- und Kontaktdaten direkt mit seinem Smartphone abrufen. Hier geht es um eine sinnvolle Nutzung moderner Medien im analogen Handhabungsalltag. Über all dem schwebt das Thema ‚Internationalisierung‘. Unsere Kunden wollen die Vakuum-Lösungen in all ihren weltweiten Produktionsstandorten einsetzen können.

 Mobiles Vakuum für Cobots: Elektrischer Vakuum-Erzeuger ECBPMi
Mobiles Vakuum für Cobots: Elektrischer Vakuum-Erzeuger ECBPMiBild: J. Schmalz GmbH

Haben sich durch die dynamische Entwicklung der Märkte weitere Themen für die Handhabung mit Vakuum ergeben?

Mohr: Ursache für die Dynamik am Markt ist unter anderem die Digitalisierung. Sie verbessert die Fertigungsmethoden, beschleunigt den Innovationsprozess und bringt neue Produkte und Dienstleistungen hervor. Das merken wir auch bei den Nachfragen unserer Kunden: Roboter können schnell und einfach angelernt werden, entsprechend intuitiv muss auch die Implementierung und Inbetriebnahme unserer Greifer sein. Oder: Je schnelllebiger und variantenreicher die Produktwelt ist, desto flexibler müssen unsere Sauggreifer werden. Hierbei geht es vor allem darum, die Automatisierung zu ermöglichen. Ein weiteres Beispiel ist die Elektromobilität: Die Politik treibt die Batterieherstellung in Deutschland weiter voran. Wir bieten dafür Lösungen entlang der gesamten Prozesskette, ob einzelne Komponenten wie Elektroden oder Pouches gehandhabt oder Module in Fahrzeuge gesetzt werden müssen. Die dynamische Entwicklung fordert auch eine effizientere Distributionslogistik, damit die Ware schnell beim Endkunden ist. In Kombination mit dem wachsenden Online-Handel bemerken wir eine höhere Nachfrage in der manuellen Handhabungstechnik. Hauptthemen sind hier Ergonomie, Flexibilität und einfache Bedienbarkeit. So können Kommissionierer mit dem Multigreifer verschiedene Kartongrößen und -qualitäten handhaben, ohne den Greifer wechseln zu müssen.

Worauf kommt es den Kunden bei der Handhabung mit Vakuum an?

Mohr: Prozesssicherheit und Stabilität werden von allen gefordert. Hinzu kommen je nach Branche individuelle Anforderungen. Holz ist ein Naturprodukt. Astlöcher, Risse und verwundenes Material mit rauer Oberfläche erfordern ein zuverlässiges Greifsystem – auch wenn die Werkstücke verschmutzt, nass oder harzig sind. Hersteller von Leiterplatten brauchen Sauger, die eventuell am Werkstück anliegende Spannungen kontrollieren und schadensfrei ableiten. Die Pharmaindustrie etwa fragt nach verschleißfesten Lösungen, die reinraumtauglich sind. Logistiker achten besonders auf eine ergonomische und unkomplizierte Anwendung. Mit Blick auf die Lebensmittelindustrie kommen neue Hygieneanforderungen auf uns zu: Die Vakuum-Sauggreifer sind aus lebensmitteltauglichen Materialien aufzubauen und nach den Hygienic-Design-Kriterien absolut reinigungsfreundlich zu gestalten. Sauger und Greifer für komplexe, hochempfindliche Werkstücke wie Batteriekomponenten oder Brennstoffzellen müssen mehrfach Schutz bieten, Abdrücke, Rückstände oder elektrostatische Entladungen sind auszuschließen. Das beachten wir natürlich bei der Zusammenstellung neuer Materialien oder Greifkonzepte.

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