Herr Hüllmann, wir gratulieren Ihnen zur Wahl zum Vorsitzenden des Fachverbandes Holzbearbeitungsmaschinen im VDMA. Was hat Sie dazu bewogen, diese Aufgabe zusätzlich zu Ihrer Tätigkeit als Geschäftsführer der G. Kraft Maschinenbau GmbH zu übernehmen?
Der Fachverband Holzbearbeitungsmaschinen ist ein wichtiges Gremium, in dem wir schon einige Zeit mitwirken. Auf Verbandsebene lassen sich die verschiedenen Perspektiven und Herausforderungen unserer Branche am besten koordinieren und auf einen gemeinsamen Nenner bringen. So können wir unter anderem die Normierung vorantreiben und internationale Standards etwa für den plattformunabhängigen Austausch von Maschinendaten im Rahmen der OPC UA etablieren. Außerdem profitieren Mittelständler wie wir von den internationalen Verbindungen und Verbandsleistungen wie Rechtsberatung oder Marktstudien. Aus diesen Gründen habe ich mich gerne zur Wahl gestellt, auch weil damit der Vorsitz nach einer Reihe von großen börsennotierten Konzernen jetzt wieder an ein mittelständisches Unternehmen geht. Das unterstreicht die Ausgewogenheit unseres Verbandes, der als starke Stimme der Branche alle Mitglieder gleichermaßen gut vertritt.
Welche Schwerpunkte wollen Sie als Vorstandsvorsitzender in der Verbandsarbeit setzen?
Mir liegt der intensive Austausch innerhalb der Branche besonders am Herzen. Kein Unternehmen kann die großen Zukunftsaufgaben der Digitalisierung, Industrie 4.0 und IoT mehr alleine stemmen. Um innovationsfähig zu bleiben, reicht es nicht, eigene Lösungen mit Patenten zu belegen und sich ein exklusives Domänenwissen zu reservieren. Da braucht es einen Paradigmenwechsel. Nur durch die Bereitschaft, sich zu vernetzen, Kompetenzen und Knowhow zu teilen, können wir mit der hohen Entwicklungsdynamik Schritt halten und unser Innovationspotenzial ausschöpfen. Bei Kraft Maschinenbau ist Innovation gewissermaßen Tagesgeschäft, weil jede Maschine kundenspezifisch adaptiert werden muss und eine unserer Stärken in der Fertigung von Sonderlösungen für die Tür- und Zargenindustrie, die hochwertige Fußbodenbearbeitung sowie die Dämm- und Baustoffindustrie liegt. Dabei können wir auf die Unterstützung spezialisierter Kooperationspartner zählen. Unsere Kunden wissen das zu schätzen. Das belegen die jahrzehntelangen Kundenbeziehungen, die wir als regional verankertes Traditionsunternehmen pflegen. Um unsere Marktpräsenz auch international weiter auszubauen und unabhängiger von Exportfaktoren zu sein, haben wir 2018 mit der Kraft Machines Inc. eine eigene Tochtergesellschaft in den USA gegründet.
Wie wird sich Ihrer Ansicht nach die Marktsituation in Europa und weltweit verändern?
Wir sehen seit einigen Jahren, dass die Vision der europäischen Integration an Strahlkraft verliert und die einzelnen Volkswirtschaften wieder stärker um Wettbewerbsvorteile konkurrieren. Auch dadurch steigt die Bedeutung regionaler Lieferketten, um die Komponentenverfügbarkeit sicherzustellen und sich unabhängiger von den Risiken und Unwägbarkeiten anderer Märkte zu machen. Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau ist dafür vergleichsweise gut aufgestellt, weil sich unsere Branche durch hohe Wertschöpfung und Fertigungstiefe auszeichnet. Das unterscheidet uns zum Beispiel von Maschinenbauern anderer Regionen, die oft reine Montagebetriebe sind und viele Leistungen von der Zerspanung über die Steuerungstechnik bis zur Qualitätssicherung und Dokumentation an externe Anbieter auslagern. Eine solche Verschlankung bringt sicherlich mehr Flexibilität, weil die gesamte Zulieferung ‚on demand‘ erfolgen kann und sich veränderten Marktanforderungen einfach anpassen lässt. Aber damit steigt natürlich auch die Abhängigkeit, sodass es bei Lieferengpässen schnell zu Produktionsausfällen kommen kann.
Welchen Einfluss haben veränderte Kundenanforderungen auf die sekundäre Holzverarbeitung?
Auf Kundenseite geht der Trend klar weiter in Richtung Individualisierung. Immer mehr Möbel- und Einrichtungshäuser bieten ihren Endkunden die Möglichkeit, ihre Produkte ganz individuell zu konfigurieren. Für Küchenhersteller ist das ohnehin längst Standard. Moderne Einbauküchen werden heute als Einzelanfertigungen nach Maß in Serie produziert. Das stellt komplexere Anforderungen an die Steuerungstechnik unserer Maschinen, weil die sekundäre Holzverarbeitung bei steigendem Automatisierungsgrad immer variabler werden und bis zur Losgröße 1 reichen muss. So kommt es, dass neben dem klassischen Maschinenbau heute viele weitere Kompetenzen gefragt sind. Das betrifft verschiedenste Materialkompetenzen ebenso wie das Feld der Steuerungstechnik und Prozessautomatisierung, für das wir eine eigene Abteilung eingerichtet haben. Mittlerweile ist jeder vierte von unseren rund 400 Mitarbeitern mit Steuerungstechnik und Automatisierung befasst. Die Steuerungskompetenz stellt einen entscheidenden Faktor für die Kundenzufriedenheit dar. Denn die Anwender wünschen, dass sich die PC- oder SPS-basierten Steuerungskonzepte trotz zunehmender Komplexität intuitiv und sicher bedienen lassen.